Regisseur Schlöndorff, Ministerin Bauer, Schauspieler Stadlober bei der Baden-Württemberg-Premiere von „Diplomatie“ im Delphi-Kino Foto: Ines Rudel

Zwei alte Männer treffen aufeinander und quatschen die ganze Nacht. „Kann man damit ein Publikum fesseln?“, fragte sich Regisseur Volker Schlöndorff bang. Man kann. Bei der Stuttgart-Premiere des Films „Diplomatie“ hat der Sohn des dargestellten Nazi-Generals von Choltitz allerdings heftig protestiert.

Stuttgart - Vor diesem Film, sagt Regisseur Volker Schlöndorff, der 1980 für „Die Blechtrommel“ den Oscar erhielt, habe er „große Angst“ gehabt. Denn was passiere in „Diplomatie“? Zwei alte Männer träfen aufeinander, laberten die ganze Nacht miteinander. „Kann man damit ein Kinopublikum fesseln?“, fragt der 75-Jährige am Dienstagabend bei der Baden-Württemberg-Premiere vor der Leinwand des Delphi-Kinos.

Und ob Schlöndorff kann! Einen hochspannenden Plot hat er mit den Mitteln der Fiktion entwickelt – dass nicht alles historisch belegt ist, stört Timo von Choltitz, den Sohn des dargestellten Nazi-Generals, allerdings. Der 70-Jährige protestierte nach der Vorstellung heftig.

Fürwahr großes Kino erlebten die geladenen Gäste (dabei: Kunstministerin Theresia Bauer, Comedian Matthias Weinmann, MfG-Chef Carl Bergengrün sowie zehn Gewinner der Stuttgarter Nachrichten). Es gab langen Beifall für den mit Fördergeldern aus Baden-Württemberg finanzierten Film, der an diesem Donnerstag bundesweit startet und weltweit auf großes Interesse stößt – in 40 Länder wurde „Diplomatie“ verkauft.

Es geht um ein historisches Schlüsselereignis, das in Deutschland, anders als in Frankreich, kaum bekannt ist. Vor 70 Jahren ist der deutsche General Dietrich von Choltitz, Kommandant der deutschen Besatzer, zum Retter von Paris geworden. Hitler verlangt vor dem Einzug der Alliierten die Zerstörung aller Kulturdenkmäler einer über 2000-jährigen Geschichte. Überall in der Stadt sind Sprengladungen angebracht: im Louvre, im Eiffelturm, in der Kirche Notre Dames – es fehlt nur noch der Befehl des Generals zum Abschuss. Dass es anders gekommen ist, weiß jeder Zuschauer von Anfang an. Die Schönheit von Paris, die Schlöndorff von seinem Kameramann am Ende mit großartigen Bildern einfangen lässt, ist geblieben.

Doch wie bei „Titanic“ wird die Spannung lange vor dem bekannten Ende des Films aufgebaut. Das Psychoduell des deutschen Generals mit dem schwedischen Konsul, der um den Erhalt einer einzigartigen Metropole mit Worten trickreich kämpft, geht unter die Haut. Der Kinosaal scheint vor Hochspannung zu vibrieren. Man sitzt aufgewühlt vor der Leinwand, zittert und leidet mit, ist am Ende erleichtert, dass Hitlers Plan nicht aufgegangen ist. Wäre es anders gekommen, bis heute wäre die deutsch-französische Freundschaft ohne Chance. Noch heute, sagt Robert Stadlober, 32, im Delphi – er spielt den Assistenten des Generals – „schäme“ er sich für seine Großväter. Das deutsche Erbe wirkt lange nach.

Weil Timo von Chlotitz in einem Stau von Baden-Baden nach Stuttgart stand, kommt er verspätet und kann seinen vom SWR reservierten Ehrenplatz nicht einnehmen. Der 70-Jährige lobt am Ende die Spannung des Films zwar, beharrt aber darauf, dass Unwahrheiten vorkämen. So sei nachgewiesen, dass sein 1966 verstorbene Vater nicht am Vergasen von Juden beteiligt war.

Schlöndorff steht dazu, dass er die reale Begegnung der Männer mit Fiktion angereichert hat. Schließlich habe in dem Pariser Hotel keiner die Dialoge mitgeschrieben, sagt er nach der Vorstellung im Gespräch mit SWR-Kinoexperte Herbert Spaich. „Keine nachgeholte Geschichtsstunde“ habe er auf die Leinwand bringen wollen, versichert der Oscar-Preisträger. Zu den großen Gefühlen, von denen die Zuschauer ergriffen werden, trägt der Ludwigsburger Filmkomponist Jörg Lemberg (ebenfalls bei der Premiere mit Beifall gefeiert) maßgeblich bei. Ein unbedingt empfehlenswerter Film!