Thomas Hermanns, der 1992 den Quatsch Comedy Club in Hamburg gegründet hat, lässt sich in der Stuttgarter Spardawelt vor Plakaten seines Erfolgsformats fotografieren Foto: Christian Hass

Der Berliner Thomas Hermanns, ein führender Quatschkopf der Nation, beherrscht schwäbischen Fleiß. Seinen Quatsch Comedy Club vermarktet er im Franchise-System. In Stuttgart, in seiner vierten Stadt, hat er in der Sparda-Geldwelt einen Premierenknaller gelandet. Das war frischer Wind in Orkanstärke

Stuttgart - Grüß Gottle, Thomas Hermanns! Unweit der Stuttgarter Riesenbahnhofsbaustelle hat der Berliner (wer länger als vier Jahre in der Hauptstadt lebt, ist Berliner) am Donnerstagabend in der Welt der Spardianer gelernt, was „reigschmeckt“ heißt.

Der lustige Grauschopf, der 1992 in der Kantine des Hamburger Schauspielhauses seinen Comedy-Stand-up-Club gegründet hat, um dem Tiefgang des politischen Kabaretts das Lachen über Blödsinn frei von pädagogischer Belehrung entgegenzusetzen, kannte das schöne Schwabenwort „reigschmeckt“ bisher nicht. Und das, obwohl er in Prenzlauer Berg wohnt, also in jenem Berliner Stadtteil, der angeblich von geldgierigen Schwaben unterwandert ist.

Aber oft ist nicht alles so, wie wir uns das gern zurechtlegen. Da hilft auch die hehre Absicht nicht, mit klischeehafter Vereinfachung unser ansonsten viel zu kompliziertes Leben erleichtern zu wollen. Nach der euphorisch bejubelten Premiere in seiner neuen Stuttgarter Filiale sagt er sekttrinkend, beim Einkauf auf dem Markt in Prenzlauer Berg höre er selten schwäbische Urlaute.

Dies deckt sich mit der jüngsten Enthüllung der „Berliner Morgenpost“. Mit aufwendiger Recherche haben die Kollegen die Herkunft der zugezogenen Berliner ausgewertet. Und siehe da: Stuttgart landet nur auf Platz zwölf der Städte, aus denen die meisten Berliner Bürger stammen.

Thomas Hermanns will noch mehr Städte bequatschen

Was ist typisch schwäbisch, was typisch berlinerisch? Leicht kommt man durcheinander, wenn selbst die schwäbische Zuwanderung an der Spree nicht so ist, wie alle Welt denkt. Natürlich macht sich der 52-jährige Hermanns zur Begrüßung in Stuttgart vor knapp 400 Besuchern lustig über humorlose Schwaben, die tagsüber fleißig seien, nachts aber die Sau rausließen. Und doch ist er das beste Beispiel dafür, dass selbst Nordlichter schwäbischen Geschäftssinn erlernen können, wenn sie mit Ernst und Zielstrebigkeit Lustiges verhökern.

Thomas Hermanns ist zum Ronald McDonald des Spaß-Fast-Foods geworden. Er verkauft die Lizenzen seines Quatsch-Formats und hat nach vier Franchise-Städten (Hamburg. Berlin, Düsseldorf und jetzt Stuttgart) noch viel vor. „Jede deutsche Großstadt verträgt einen Quatsch-Club“, sagt er bei der Premierenfeier. Wie wär’s mit einem Drive-in? Reinfahren und bestellen: Einmal Quatsch mit scharfer Soße!

In Stuttgart hat man ihm einen roten Teppich ausgerollt, der so weich ist, als sei er auf Geldscheinen gebettet. Über die Rosenau kam er an die Sparda-Bank, die über ihre Kulturstiftung die zweimal im Monat geplanten Shows mit einem Moderator und vier Comedians sponsert. Klar, der mitfeiernde Sparda-Bank-Vorstandsvorsitzende Martin Hettich verrät nicht, wie hoch das finanzielle Engagement seines Hauses für so viel Quatsch ist. Aber man habe genau recherchiert, sei zu einer Show von Hermanns nach Hamburg geflogen, um zu prüfen, ob die Sache für Stuttgart taugt.

Ja, isch a subbr Sach für Schduagert! Der erste Lacher ist der großspurige Name „Spardawelt Event Center“ für eine frühere Schalterhalle, in der schwarzer Stoff die Räume teilt. Sparda-Chef Lüchtenborg nennt das „Werkstatt-Atmosphäre“.

Perfektes Timing in der Sparda-Welt

Die Atmosphäre jedenfalls stimmt für eine Show, die mit perfektem Timing punktet und das Live-Erlebnis besser als jede TV-Show ausspielt. Hermanns ist Comedy-Pionier, wie auch Erich Mantel (Mitgründer der Kleinen Tierschau), der im Publikum mit Friedrichsbau-Varieté-Chef Timo Steinhauer, SWR-Marketingchef Lothar Hasl und Stadtblogger Patrick Mikolaj sitzt. Heute hat fast jeder Fernsehsender seine Comedy-Show, wo Sieger ermittelt und Preise vergeben werden. Der Club mit dem leuchtenden Q auf der Bühne stammt aus einer Spaßzeit, als man noch keine Klatsch-Teds kannte, wo jeder sich noch toll finden durfte – ohne Stress, vor einer Jury bestehen zu müssen.

Ha, ha, ha – aber jetzt, Herr Hermanns, spiel’ ich den Richter!

Hier mein Ranking vom Premierenabend:

Platz eins: Baneissa, der Marokkaner, der sich nach der Kölner Silvesternacht als Türke ausgibt, weil Nordafrikaner nicht gut klingt. Er macht Witze über Umlaute, über haarige Flüchtlinge und zusammengewachsene Augenbrauen. Das Publikum ringt vor pausenlosem Lachen um Luft. Großartig!

Platz zwei: David Leukert, der philosophische Weisheiten raushaut wie „Auch in einem Mann kann was Gutes stecken – etwa ein Küchenmesser“. Zwar etwas männerfeindlich, aber einer muss es ja tun, wenn schon keine Frau auf der Bühne steht.

Platz drei: Robert Louis Griesbach, der musikalisch alles drauf hat – ob Schlager oder Oper. Und der mit übertriebener Gestik alles so irrwitzig performt, dass man sich fragt: Was nimmt der Kerl? Oder welches Medikament hat er weggelassen?

Platz vier: Nils Heinrich, ein gebürtiger Stuttgarter, dessen Programm an diesem Abend Längen hat und damit in der temporeichen Wahnsinnstruppe etwas untergeht.

Der Ehrenpreis gebührt Moderator Sebastian Schnoy aus Hamburg. Blitzschnell haut er Pointen rein, und die sitzen fast immer. Die Kölner Silvesternacht, gibt er zu, habe ihn überrascht: „Es gab sexuelle Übergriffe – und zum ersten Mal war die Katholische Kirche nicht daran beteiligt.“

Quatsch ist ein so schönes Wort wie reigschmeckt. Der reigschmeckte Quatsch bei Sparda ist so gut, dass wir über geografische Unkenntnis fürs Erste hinwegsehen. Fortwährend behaupten die Comedians, sie seien „in Schwaben“. So ein Quatsch!

Schwaben ist ein Regierungsbezirk in Bayern. Wir leben in Baden-Württemberg, nicht in Baden-Schwaben. Beim nächsten Besuch, Herr Hermanns, frag’ ich’s ab.

Aber kommen Sie bald wieder!