Vier Intendanten mit Blick nach vorn: Armin Petras (links), Marc-Oliver Hendriks, Jossi Wieler, Reid Anderson Foto: Leif Piechowski

Im Spielplan der Oper Stuttgart stehen in der kommenden Saison gleich zwei Uraufführungen, darunter eine „Peter Pan“-Familienoper. Das Programm kündet von Arbeit, Lust und Vertiefung.

Stuttgart - „So eine Ausstrahlung“, zitiert das Programmbuch der Staatstheater Stuttgart den Opernintendanten Jossi Wieler, „kann man nicht planen. Die kommt nur, wenn es auch von innen her stimmt.“ Als Wieler am Donnerstag als erster der drei Stuttgarter Spartenchefs sein Programm für die Spielzeit 2013/14 vorstellte, demonstrierte er, was er damit meinte, schlicht dadurch, dass er immer wieder anderen das Mikrofon in die Hand drückte. Operndirektorin Eva Kleinitz, Hausregisseurin Andrea Moses, Chefdramaturg Sergio Morabito sowie die Leiterin der Jungen Oper, Barbara Tacchini, kamen neben ihm zu Wort; ein starkes Team, wollte Wieler zeigen, trägt gemeinsam Geist und Ethos eines Hauses, das zuletzt durch zahlreiche Theater- und Kritikerpreise internationale Beachtung erfuhr.

„Es ist spürbar“, stellte Jossi Wieler uneitel, aber stolz fest, „wie etwas das Haus durchdringt“, und dieses Etwas habe unbedingt auch mit dem „künstlerischen und menschlichen Gewinn“ zu tun, den die Oper durch ihren neuen Generalmusikdirektor Sylvain Cambreling erfahre. Das mit dem menschliche n Gewinn versteht jeder, der dem temperamentvollen Franzosen persönlich begegnet – und für den künstlerischen Gewinn spricht nicht zuletzt die jüngste Auszeichnung der Stuttgarter Produktion von Edison Denisows „Schaum der Tage“ mit dem Internationalen Diaghilev Award. Das Preisgeld von 25 000 Euro will der Intendant zu kleinen Teilen in ein Musiktheater-Saisonabschlussfest investieren und zum größten Teil in die Kunst – „um Löcher zu stopfen, die sich immer irgendwo auftun“.

Sylvain Cambreling wird drei der fünf Premieren und vier der sieben Sinfoniekonzerte dirigieren: Verdis „Falstaff“ hat er sich ausgesucht, Wagners „Tristan“ und (natürlich) die schon unter Wielers VorgängerAlbrecht Puhlmann in Auftrag gegebene Uraufführung von Mark Andres Oper „Wunderzaichen“, die um die Ideen des in Stuttgart begrabenen Humanisten Johannes Reuchlin kreist. 2007 wurde das Pilotprojekt zu Andres neuartigem theatralischem Zugriff (Sergio Morabito: „ein singulärer Musiktheater-Entwurf“) in der Leonhardskirche uraufgeführt; nun war Cambrelings großes Interesse für die Musik des französischen Lachenmann-Schülers einer der Gründe für die Zusage als Generalmusikdirektor in Stuttgart.

Mit „Tristan und Isolde“ betreten Jossi Wieler und Sergio Morabito erstmals seit zwei Jahren in Stuttgart wieder sicheres, bekanntes Musiktheater-Terrain. „Wir haben immer in Grenz- und Risikobereichen operiert“, so der Chefdramaturg, „und freuen uns jetzt sehr darauf, einmal ein Stück des zentralen Opernrepertoires zu erarbeiten.“ Mit dabei sein wird dann auch Bert Neumann, der auch für das viel gelobte Bühnenbild von Halévys „Jüdin“ verantwortlich zeichnete.

Barbara Tacchini hofft beim „Peter Pan“ des britischen Komponisten Richard Ayres auf ein „gemischtes Publikum“, denn diese Oper richte sich sowohl an Erwachsene als auch an Kinder und Jugendliche. Blinde und sehbehinderte Kinder werden diese Produktion mit erarbeiten. Ein zweites neues Stück der Jungen Oper, das stärker multimedial und experimentell orientiert ist, entsteht als Workshop-Projekt.

Operndirektorin Eva Kleinitz verkündete nicht nur die Erweiterung des Opernstudios auf sechs Mitglieder, sondern außerdem das Engagement zweier neuer Ensemblesänger: Der polnische Bassbariton Adam Palka wird nicht nur den Alidoro (in Rossinins „La Cenerentola“) singen, sondern auch Leporello, Gremin und Colline (in „La Bohème“). Neu ins Ensemble kommt auch die rumänisch-österreichische Sopranistin Mirella Bunoaica – als „Vertreterin“ Ana Durlovskis in der Rolle der Amina wie als Nanetta („Falstaff“), Pamina und Mimi (in „La Bohème“). Für Marc Andres Oper hat man außerdem neben Claudia Barainsky den Stuttgarter Tenor Matthias Klink engagiert – und André Jung, der nach dem Haushofmeister in „Ariadne“ auch die Schauspielpartie des Reuchlin in diesem Stück übernehmen wird. Erin Caves und Christiane Iven werden Tristan und Isolde sein, und in zahlreichen Übernahmen und Wiederaufnahmen von Repertoirestücken – darunter auch „Actus tragicus“, „Siegfried“, „Eugen Onegin“ und „La Traviata“ – kann und sollen sich die Sänger des Ensembles weiterentwickeln.

„I’m exhausted“, kommentierte Ballettchef Reid Anderson humorig die knapp einstündige Vorstellung des Opernprogramms. Dabei hatte man den Spielzeitauftakt der Musiktheater-Sparte (mit einem großen Orchester- und Chortag am 15. September) wie auch die zahlreichen Begleitveranstaltungen (Einführungsveranstaltungen, Nachtgespräche, öffentliche Proben) und die beiden Komponistenwochenenden rund um Verdi und Gluck gerade einmal kurz gestreift, und bei „La Bohème“ hatte sich sogar Andrea Moses, die doch so gerne redet, erstaunlich kurz gefasst. Der Künstler Stefan Strumbel, hatte sie lediglich angedeutet, lege sein Bühnenbild zu Puccinis Künstler-Oper als Selbstbefragung an. Man darf gespannt sein.