Nach den Plänen von Claus-Henning Guthard wäre in den Wagenhallen ein „Treffpunkt automobile Klassik“ entstanden. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Statt einer Künstlerkolonie wäre im Stuttgarter Norden fast ein Oldtimerzenrum entstanden. Ein Blick zurück

Stuttgart - Stuttgart - Eigentlich ist längst Gras über die Sache gewachsen. Doch immer, wenn es um die Zukunft der Wagenhalle im Stuttgarter Norden geht, stoßen Claus-Hennig Guthard die alten Erinnerungen auf. Und in den vergangen Wochen war die Wagenhalle häufig diskutiertes Thema. Dort sind die Künstler aus ihren Ateliers ausgezogen, damit die Stadt mit der rund 30 Millionen teuren Sanierung beginnen kann. Nächstes Jahr sollen sie ihre Ateliers wieder beziehen können. Die Künstlerstadt im Stuttgarter Norden: eine Bereicherung für die Landeshauptstadt – aber um ein Haar wäre alles ganz anders gekommen:

Gebaut worden ist die Halle Ende des 19. Jahrhunderts als Eisenbahnreparaturwerkstatt. Nachdem sie im Zweiten Weltkrieg bei Bombenangriffen kaum beschädigt worden ist, wurde sie als Omnibusreparaturwerkstatt genutzt. Mitte der 90er Jahre verkaufte die Bahn das Areal an die Stadt. Alles sollte abgerissen werden. Dann wurde die historische Bedeutung der Halle erkannt. Und damit waren auch die Abrisspläne vom Tisch. Aber wie jetzt das Areal nutzen?

Damaliger OB weckt Hoffnungen

Da kommt Claus-Henning Guthard ins Spiel, ein ehemaliger Marketingleiter in der Automobilbranche. Er blättert in einem dicken Aktenordner und sucht sein Konzept „Wagenhalle Stuttgart – Treffpunkt automobile Klassik“ raus. Seine Idee: Für Besitzer und Liebhaber historischer Automobile aller Marken ein Zentrum samt Serviceangebot mit Fahrzeughandel, Werkstätten, Einstellboxen, Büros, Veranstaltungsflächen und Gastronomie zu bauen. „Ich hab mich schon immer für Automobilgeschichte interessiert“, sagt der 72-Jährige. Vorbild für sein Konzept war das 2003 in Berlin eröffnete Oldtimerzentrum Meilenwerk. „Ein solches Projekt hätte auch hervorragend zur Automobilstadt Stuttgart gepasst“, sagt Guthard – zumal 1886, nur drei Jahre vor dem Bau der Wagenhalle, mit der Entwicklung des dreirädrigen Velocipeds durch Carl Benz, der Motorkutsche durch Gottlieb Daimler und die Gründung der Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik durch Robert Bosch die Entwicklung des Automobils Fahrt aufgenommen hatte.

Rasante Fahrt nahmen Mitte 2000 auch die Pläne von Guthard auf: Der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) lud ihn ein, sein Projekt zu präsentieren. „Der OB hat ausgesprochen positiv reagier und wollte das Projekt zur Chefsache machen. Mit Horst Bülow hatte ich sogar bereits einen Investor gefunden, der der Stadt schriftlich zugesagt hatte, das komplette Projekt zu finanzieren. Und die Robert Bosch GmbH hatte in Aussicht gesellt als Sponsor aufzutreten.“

Projekt an der Parkplatzfrage gescheitert

Doch dann zerschlugen sich ganz plötzlich die hochfliegenden Pläne von einem Oldtimerzentrum auf dem Areal der Wagenhalle. „Wir bekamen von der Stadtverwaltung die Nachricht, dass in unmittelbare Nähe der Wagenhalle, dort, wo die Parkplätze für die Außengastronomie geplant waren, zwei Berufsschulen gebaut werden“, sagt Guthard. Ohne Parkplätze keine Gastronomie, und ohne Gastronomie kein Oldtimerzentrum. Damit war für den Investor laut Guthard das Projekt gestorben.

Auch wenn er die Ansiedlung von Künstlern in der Wagenhalle für eine gute Sache hält, stoßen ihm seine zerplatzten Träume immer noch auf, sobald öffentlich über die Zukunft der Halle diskutiert wird. Für Guthard besonders bitter ist nicht der Verlust von mehreren Tausend Euro, die er aus seiner Privatschatulle in die Planung gesteckt hat, sondern dass seine Idee in Böblingen realisiert wurde, allerdings nicht von ihm. Dort eröffnete 2009 auf dem Flugfeld das Meilenwerk Region Stuttgart, dass mittlerweile in Motorworld umbenannt ist.

„Für mich ist die Sache erledigt. Schade finde ich allerdings immer noch, dass es das das Projekt nicht in der Automobilstadt Stuttgart, sondern in Böblingen gibt“, stellt Guthard fest – und klappt seinen dicken Aktenordner zu, um ihn für immer ins Regal zu stellen.