Der junge Syrer Maan Hilala schneidet dem Friseurmeister Vassili Keramaras die Haare. Foto: Susanne Müller-Baji

zwei Flüchtlinge haben im Einkaufszentrum Killesberghöhe in Stuttgart-Nord Arbeit gefunden:

S-Nord - Es wird viel diskutiert über Integration und Abschottung, über Willkommenskultur und Radikalisierung. Ein positives Signal kommt da von der Killesberghöhe, wo Maan Hilala aus Syrien und Ghulam Muhayuddin Darwishi aus Afghanistan ihre Chance auf einen Neubeginn erhalten. Und sie sind entschlossen, diese auch zu nutzen.

Beim Fototermin wird viel gelacht: Die Chemie stimmt zwischen Maestro Vassili Keramaras und seinem Praktikanten Maan Hilala – und das, obwohl der Syrer erst dieser Tage mit seinem Integrationskurs beginnt, der im Wesentlichen ein Intensiv-Sprachkurs ist. Deutsch lernen, „und das richtig gut“, hat für den 32-jährigen oberste Priorität. Und die Art wie er sich schon jetzt Vokabeln – auch schwäbische – aneignet, lässt keinen Zweifel, dass er das schaffen wird. „Schaffe, schaffe, Häusle bauen“, kann er schon perfekt sagen, sagt Keramaras lachend, der selbst griechische Wurzeln hat, in Bayern geboren ist, „aber eigentlich aus Berlin kommt“.

Friseur Maan Hilala hatte in Damaskus einen eigenen Salon

Er hat schon einige „urpreußische“ Eigenschaften an seinem neuen Mitarbeiter ausgemacht: „Man sagt was, und er nimmt das sofort an und setzt es direkt um.“ Außerdem sei Hilala – trotz der langen Anfahrt von der Flüchtlingsunterkunft in Leinfelden – stets eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn vor Ort. „Gut, manchmal föhnt er ein bisschen zu warm“, frotzelt der Friseurmeister. Das sei deshalb, weil das Haar im Nahen Osten eine andere Beschaffenheit hätte, antwortet der Praktikant: „Das europäische Haar ist viel weicher als bei uns.“

15 Jahre lang hatte der Syrer seinen eigenen Salon in Damaskus, erzählt er auf Englisch, und auch in Dubai und im Libanon habe er bereits die Schönen und Reichen frisiert. Doch das ist vorbei und Maan Hilala will nur noch in die Zukunft blicken. Da seine Qualifikation in Deutschland nicht anerkannt wird, wird er nach seinem Integrationskurs noch einmal eine Ausbildung im Salon Scholz Haare von Sandra Zettel und Vassili Keramaras machen. „Ich finde das gut, wie er das alles mitmacht”, lobt Keramaras so viel durchaus nicht selbstverständliche Bereitschaft, sich in das neue Leben einzufügen: „Wenn er einen Integrationskurs machen muss, dann macht er das, wenn er noch eine Ausbildung braucht, dann macht er die auch.“

Einige Schritte weiter, bei Edeka Weckert, kommt Ghulam Muhayuddin Darwishi noch immer nicht aus dem Staunen raus. Auch er war selbstständig, hatte in der afghanischen Hauptstadt Kabul ein eigenes Lebensmittelgeschäft – „ungefähr 100 Quadratmeter groß“ und mit eigenen Angestellten. Und auch das ist Geschichte. Mit seiner Frau – sie ist von Beruf Hebamme – kam er vor 18 Monaten nach Deutschland und besucht bereits seinen Integrationskurs. Als er überlegte, wie es weitergehen sollte, da stand für ihn fest: Am liebsten wollte er wieder Lebensmittel verkaufen.

Bürokratische Hürden erschweren den Einstieg ins Berufsleben

Die Inhaberin Antje Weckert, bei der er wegen eines Praktikums angefragt hatte, wurde hellhörig. „Ich habe in meiner Jugend auch mal eine Chance bekommen. Wenn ich jetzt in der Position bin, anderen das zu ermöglichen, dann mache ich das.“ Sie erzählt, es sei freilich eine bürokratische „Kugelfuhr“, einem Flüchtling beim Einstieg ins Berufsleben zu helfen. Sie bot ihm dennoch einen Minijob an, aus dem zu gegebener Zeit ein Ausbildungsplatz werden soll, denn auch Darwishis Qualifikation wird nicht anerkannt.

Noch ist der Afghane dabei, die Sprache zu lernen und sich einzuprägen, wo die insgesamt 23 000 Artikel in dem riesigen Einkaufsmarkt stehen. Antje Weckert ist angetan von ihrem Mitarbeiter: „Er ist freundlich, höflich, ordentlich gekleidet und er macht seine Arbeit einfach gerne.“ Sie freut sich überdies, einen Muttersprachler im Team zu haben, wenn demnächst die Flüchtlingsunterkunft in der Nachbarschaft von bisher 130 auf 290 Bewohner aufgestockt wird.

Darwishi selbst ist überglücklich, dass es endlich weitergeht und er gleichzeitig ein wenig an sein altes Leben anknüpfen kann: „Verkaufen ist meine Liebe“, sagt er und strahlt: „Ich wollte unbedingt in einen Supermarkt.“