Die SSB verstärkt in den Hauptverkehrszeiten den Takt der Buslinie 72. Foto: Alexandra Kratz

Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember gibt es auf der Linie 72 in Stuttgart-Möhringen neun zusätzliche Fahrten. Diese neun Fahrten führen durch die Märchensiedlung. Die Anwohner sind zum Teil dagegen.

Möhringen - Vom „formierten Widerstand“ könne keine Rede sein, sagte Friedrich Bretz zu Beginn der Sitzung. Der Vorsitzende der Initiative Lebensraum Möhringen-Fasanenhof-Sonnenberg (Ilm) ergriff im Bezirksbeirat bei den „Fünf Minuten für die Bürger“ das Wort. Ihm ging es um die geplante Taktverdichtung in den Hauptverkehrszeiten auf der Buslinie 72, die mit einem Schlenker durch die Märchensiedlung einhergeht. „Diese Forderung besteht schon lang“, sagte Bretz. Er forderte dazu auf, Einzelinteressen und Gemeinschaftsinteressen auseinanderzuhalten. „Man sollte den Fachleuten vertrauen und sie jetzt erst mal machen lassen“, sagte der Ilm-Vorsitzende.

Sein Nebensitzer sah das ganz anders. „Der Widerstand in der Märchensiedlung ist groß“, sagte er und ergänzte: „Ich kann, wenn gewünscht, 100 Unterschriften vorlegen von Menschen, die dagegen sind.“ Er betonte, dass sich der Widerstand nicht gegen den geplanten Zehn-Minuten-Takt in den Hauptverkehrszeiten richte, sondern gegen den Schlenker durch das Wohngebiet. Die neu geplante Haltestelle am Friedhof sei „sinnlos“, weil sie lediglich 200 Meter Fußweg erspare. Dem gegenüber stehen erhebliche Investitionen, auch weil die Straße für den Bus ertüchtigt werden müsse. Der Anwohner aus der Märchensiedlung schlug eine alternative Streckenführung vor: „Der Bus könnte bis zum ersten Kreisverkehr auf dem Fasanenhof fahren und dort wenden. Dafür braucht es keinerlei zusätzliche Investitionen.“

Bündnis Mobilität hat Katalog zusammengestellt

Die Wortmeldungen der beiden Herren stehen beispielhaft dafür, wie divers die geplante Taktverdichtung auf der Linie 72 in der Märchensiedlung in den vergangen Monaten diskutiert worden war. Roland Krause von den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) stellte in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats klar: „Es gab diverse Anträge, auch aus diesem Gremium.“ Mit der Eröffnung der Stadtbahnlinie U 6 zum Fasanenhof war der Fahrplan der Linie 72 ausgedünnt worden. Und seitdem werde gefordert, dass die Busse wieder häufiger fahren.

Das Bündnis Mobilität, bestehend aus CDU, SPD und den Grünen, hatte vor einiger Zeit sechs Maßnahmen zur Verbesserung des Nahverkehrsangebots vorgeschlagen und dafür Geld zur Verfügung gestellt. Für die Linie 72 ist vorgesehen, dass mit dem Fahrplanwechsel im Dezember neunmal am Tag ein zusätzlicher Bus fährt. So entsteht in den Hauptverkehrszeiten ein Zehn-Minuten-Takt. Morgens gibt es binnen einer Stunde drei zusätzliche Fahrten, nachmittags binnen zwei Stunden sechs zusätzliche Fahrten.

Zunächst ist es ein Probebetrieb

Die SSB setzt einen Solobus ein, also keinen Gelenkbus. Die zusätzlichen Busse sollen aber nur durch Möhringen fahren, der Fasanenhof ist ausgenommen. Das bedeutet, dass die Busse wenden müssen. Das tun sie mit Hilfe des Schlenkers durch die Märchensiedlung. Die Busse fahren über den Dornröschenweg zum Friedhof und zurück über den Rübezahlweg. Am Friedhof wird es eine zusätzliche Haltestelle geben. Krause bezeichnete das als „Zusatznutzen“. Die Taktverdichtung auf der Buslinie 72 sei eine angebotsorientierte Maßnahme. „Wir hoffen, so eine zusätzliche Nachfrage generieren zu können“, sagte Krause. Er betonte auch, dass es zunächst nur ein Probebetrieb sei. Die SSB werde Daten und Erfahrungen sammeln und die Maßnahme dann – so wie jede andere Maßnahme auch – hinterfragen. „Eine 100-Prozent-Deckung gibt es beim ÖPNV nie. Aber wir haben als städtische Tochter ein Defizitlimit“, erklärte Krause.

Der CDU-Bezirksbeirat Fred Wagner dankte für das Engagement. „Wir haben das mehrfach gefordert. Wir wollen den ÖPNV stärken, in dem wir das Angebot verbessern. Dieter Bernhardt (SPD) ergänzte: „Ich kann nicht verstehen, warum jemand das permanent ablehnt.“ Hartmut Ellinger (Grüne) fügte hinzu, ein Probebetrieb sei den Menschen in der Märchensiedlung sicher zumutbar. Wagner fragte nach, ob an der Straße baulich etwas verändert werden müsse. Hans-Peter Benzing, Dienststellenleiter Verkehrssystem bei den SSB, verneinte das. Allerdings müssten an manchen Stellen Halteverbote ausgewiesen werden, damit der Bus durchkomme. Am Rotkäppchenweg werde eine Vorfahrtsstraße für den Bus eingerichtet. Ellinger fragte nach, ob beim Pflegeheim am Solferinoweg auf dem Fasanenhof wieder eine Haltestelle eingerichtet werden könne. Benzing wies daraufhin, dass dafür die Straße umgestaltet werden müsse, nahm die Anregung aber als Prüfauftrag mit.