Vor dem Landgericht Stuttgart wurde ein 21-Jähriger zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren wegen schweren Menschenhandels und Zuhälterei verurteilt. Foto: dpa

Im so genannten „Loverboy“-Prozess ist ein 21 Jahre alter Mann in Stuttgart zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteil worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 21-Jährige Frauen zur Prostitution gezwungen hat.

Stuttgart - Ein 21-Jähriger, der zwei junge Frauen als „Loverboy“ in die Prostitution drängte, hat das Stuttgarter Landgericht als freier Mann verlassen. Er wurde zwar am Freitag zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung verurteilt. Aber er bekommt die Chance, nach acht Monaten Untersuchungshaft nicht mehr ins Gefängnis zurückkehren zu müssen. Er erhielt die Auflage, innerhalb von sechs Monaten einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz nachzuweisen sowie sich vom Rotlichtmilieu fernhalten. Wenn er diese Bewährung nicht meistert, muss er eine Reststrafe absitzen.

Zwei Prostituierte, die ihm halfen, die zur Tatzeit 18- und 19-jährigen jungen Frauen in die Arbeit im Bordell einzuführen und sie zu überwachen, erhielten wegen desselben Deliktes Haftstrafen von zwei Jahren und vier Monaten beziehungsweise einem Jahr und zehn Monaten. Die Richterin unterstrich mehrfach das abgekartete Spiel des Trios: „Dem muss ein gemeinsamer Plan zugrunde gelegen haben.“ Die drei wurden bei einer Großrazzia im Bordell „Paradise“ in Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen) im November 2014 festgenommen.

Unter „Loverboys“ werden Männer verstanden, die junge Frauen oder Mädchen durch Zuwendung emotional an sich binden und sie dann ausnutzen. Der Beschuldigte gaukelte den Opfern Gefühle vor und dass ihre Einnahmen als Huren dazu dienten, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Die Frauen konnten einen Teil des Geldes behalten; der Rest landete bei der „Familie“, so bezeichnete der 21-Jährige sich und seine Helferinnen, die er als „Tanten“ eingeführt hatte. Der Vorwurf der ausbeuterischen oder dirigierenden Zuhälterei hat sich nach Überzeugung des Gerichts aber nicht erhärtet.

Für vermeintlichen Freund anschaffen gegangen

Der Mann hatte mit der jüngeren Frau in einer Disco angebandelt und sie mit luxuriösen Fahrzeugen beeindruckt. Die Vorsitzende Richterin Sina Rieberg erläuterte, gerade dadurch, dass er sich der Frau nicht sexuell genähert habe, habe diese angenommen, er interessiere sich wirklich für ihre Person. Aus Angst, ihren vermeintlichen Freund zu verlieren, habe sie sich schließlich zur Prostitution entschlossen, die er ihr als „völlig normal und harmlos“ darstellte. Die Frau leide als Folge unter Schlafstörungen und musste in eine Therapie.

Der Kopf der Gruppe, ein im Ausland untergetauchtes führendes Mitglied der Rockergruppierung United Tribuns und langjähriger Freund des Hauptangeklagten, lernte das ältere Opfer über die sozialen Medien kennen. „Sie öffnete sich ihm vertrauensvoll“, erläuterte die Richterin. Über diesen Kontakt geriet sie auch an den Angeklagten, mit dem sich bald in einer Liebesbeziehung wähnte. Sie zog zu einer der von ihm als „Tante“ vorgestellten Prostituierten, die sie auch mit dem ersten Freier zusammenbrachte. Trotz Ermahnungen der älteren Frau löste sie sich binnen kurzem aus der Situation mit der Begründung, sie müsse zu ihrer erkrankten Schwester reisen.

Das Gericht nahm als Pluspunkt für den Beschuldigten an, dass er zuvor nicht strafrechtlich aufgefallen war sowie sich reuig gezeigt und bei seinen Opfern in Abwesenheit entschuldigt hatte. Sein Vertreter zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. Die Verteidiger der beiden 27-jährigen Frauen werden nach eigenen Worten voraussichtlich in Revision gehen. Sie hatten auf Freispruch plädiert.