Die Haushalte in Stuttgart geben im Schnitt 34 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Wohnung aus. Foto: Leif Piechowski

Jeder dritte Haushalt in der Landeshauptstadt Stuttgart kann nach eigener Aussage finanziell keine weitere Mietsteigerung mehr verkraften.

Stuttgart - Wie groß ist der Wohnungsmangel in Stuttgart wirklich? Die Experten streiten über die Zahlen, doch der Eindruck der Betroffenen ist klar. Mietkosten und Wohnungsmangel sind laut der vergangenen Bürgerumfragen der Stadt das größte Problem. Wer daran zweifelt, bekommt jetzt neue Zahlen geliefert. Die sagen deutlich: Die Stuttgarter machen sich große Sorgen um die Lage am Immobilienmarkt. Sie bezahlen viel fürs Wohnen. Und sie wollen trotzdem, so es irgendwie geht, in der Region bleiben.

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Das renommierte Marktforschungsinstitut TNS Infratest hat im Auftrag der Wüstenrot & Württembergische-Gruppe Anfang März eine repräsentative Umfrage unter 500 Erwachsenen in allen Stuttgarter Stadtbezirken gemacht. Dabei haben Mieter und Eigentümer Dinge erzählt, die aufhorchen lassen. Die Ergebnisse im Einzelnen:

Hohe Wohnkosten

Ein gutes Drittel des Nettoeinkommens gibt jeder Stuttgarter Haushalt im Schnitt fürs Wohnen aus. Das betrifft die Miete inklusive Nebenkosten oder die Finanzierung einer eigenen Immobilie. Dieser Wert entspricht in etwa dem Bundesschnitt, bedeutet also angesichts der hohen Stuttgarter Wohnpreise, dass hier auch vergleichsweise gut verdient wird.

Viele Mieter am Anschlag

Die hohen Wohnkosten drohen trotzdem vielen das Genick zu brechen. Nämlich denen, die nicht viel Geld verdienen, aber trotzdem das hohe finanzielle Niveau für Wohnungen bezahlen müssen. Jeder dritte Stuttgarter Mieter gibt an, die Belastungsgrenze erreicht zu haben und nicht noch mehr Geld für die Unterkunft ausgeben zu können. Das betrifft besonders Ein-Personen-Haushalte und Familien mit zwei und mehr Kindern. Frauen äußern sich deutlich öfter in diesem Sinne als Männer. Jeder achte Haushalt, vorwiegend in den unteren Einkommensschichten, muss über die Hälfte seines Nettoeinkommens für das Dach über dem Kopf ausgeben.

Geringe Eigentümerquote

Nur vier von zehn Stuttgartern über 18 Jahren wohnen in der eigenen Immobilie. Das liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 51 Prozent. Das klingt fürs Mutterland des Bausparens zwar zunächst verwunderlich, ist aber ein Stück weit ein Großstadt-Phänomen. TNS Infratest führt dieses Ergebnis jedoch auch auf den Grundstücksmangel und die hohen Preise in Stuttgart zurück. Viele, die anderswo kaufen könnten, kommen hier nicht zum Zug. Nur fünf Prozent aller Stuttgarter leben deshalb den Traum vom freistehenden Einfamilienhaus.

Weiterer Preisanstieg

Besserung ist laut den Befragten nicht in Sicht. Beim Blick in die Zukunft kommen bei vielen Ängste auf. Mehr als drei Viertel erwarten, dass die Immobilienpreise in den nächsten fünf Jahren weiter steigen. Ein gutes Drittel denkt sogar, dass die Steigerung bei mehr als zehn Prozent liegen wird. Bei Mietern ist diese Erwartung weiter verbreitet als bei Eigentümern. Nur ein einziges Prozent der 500 Befragten glaubt, dass die Immobilienpreise in den nächsten Jahren sinken könnten.

Treue zur Stadt

Die Stadtverwaltung darf der Lage dennoch etwas Positives abgewinnen. Denn trotz der angespannten Wohnsituation kann offenbar nichts die Liebe der Stuttgarter zu ihrer Stadt trüben. Die gilt nach wie vor als äußerst attraktiv. Nur jeder zehnte würde am liebsten außerhalb der Stadt oder gar der Region leben. Von der neuen Lust aufs Landleben keine Spur. Die Städter wollen Städter bleiben, andere drängen dazu. Das erhöht den Druck auf den Wohnungsmarkt. Und bringt viele dazu, sich einen Ortswechsel genau zu überlegen. 52 Prozent der Einwohner sind nicht bereit, für ein geeignetes Objekt den Wohnort zu verlassen. Bundesweit ist die Flexibilität mit 48 Prozent etwas höher. Nur jeder Vierte kann sich gut vorstellen, außerhalb der Stadt im Stuttgarter Ballungsraum zu leben – sofern der Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr stimmt.

Die große Standorttreue gilt auch innerhalb der einzelnen Stadtbezirke. Hätte er die freie Wahl, würde jeder dritte Bürger im selben Bezirk wohnen wollen wie aktuell. Besonders groß ist die Verbundenheit in der Innenstadt mit 39 Prozent. Und auch für unverbesserliche Optimisten gibt die Umfrage etwas her. Bundesweit geben nur sechs Prozent der Bürger an, in den nächsten zwei Jahren Wohneigentum erwerben zu wollen. Ausgerechnet in Stuttgart sind es dagegen stolze 17 Prozent – trotz des bekannt dünnen Angebots in der Stadt.

Ruf nach kreativen Lösungen

„Die Umfrage zeigt deutlich, dass viele Mieter bereits an ihrer Belastungsgrenze sind – und gleichzeitig in den nächsten Jahren mit weiteren Mietsteigerungen rechnen. Eine schwierige, wenn nicht gar unlösbare Situation besonders für junge Familien“, sagt Alexander Heinzmann. Der Geschäftsführer der Wüstenrot Haus und Städtebau GmbH, die selbst im Wohnbau tätig ist, setzt deshalb auf Ideenreichtum. „Abhilfe kann nur ein größeres Wohnungsangebot schaffen. Die angespannte Situation erfordert kreative Lösungen“, sagt er. Dazu gehörten innerstädtische Entwicklungsprojekte ebenso wie die Umnutzung von Bestandsgebäuden oder die Revitalisierung von Brachflächen. Diese Projekte könnten aber nur Erfolg haben, wenn die Städtebauförderung von Bund und Ländern funktioniere.

Es muss einiges zusammenkommen, damit viele Stuttgarter durchatmen können. Bei aller Treue zu ihrer Stadt.