„Jedes Grad mehr rückt uns 250 Kilometer Richtung Italien“ Foto: dpa

Mit durchschnittlich 11,8 Grad waren fast alle Monate des vergangenen Jahres zu warm. Mit 2,3 Grad über dem Soll hat 2014 sogar einen neuen Rekord seit Start der Wetteraufzeichnungen am Schnarrenberg aufgestellt – trotz des Schnees im Dezember.

Stuttgart - 2014 hat so aufgehört, wie es angefangen hat: Es war zu warm. Mit durchschnittlich vier Grad lag der Dezember 2,5 Grad über dem langjährigen Mittelwert. Zwar schneite es nach Weihnachten, so dass vom 27. an der Schnarrenberg fünf Tage unter einer geschlossene Schneedecke lag. Das ließ die Durchschnittstemperatur jedoch kaum sinken. Zu trüb war der Dezember auch. Und zwar mit nur 20,5 Sonnenstunden so trüb, dass er den Dezember 1997 als trübsten Dezember seit 1951 ablöst.

Zu warm waren auch die ersten vier Monate des Jahres: Der Januar lag 3,8, der Februar und März je 3,7 und der April 3,6 Grad über dem Soll.Der März war mit insgesamt 223 Stunden Sonne der sonnigste März seit 1951 und mit nur 3,7 Litern Niederschlag pro Quadratmeter der zweittrockenste. Der Mai mit 0,5 Grad über dem Mittel war laut Klaus Riedl vom Deutschen Wetterdienst in Stuttgart „recht durchschnittlich“. Der Juni bescherte Stuttgart den schönsten Sommermonat mit vier heißen Tagen über 30 Grad vom 7. bis 10. Juni. Damit geht Pfingsten am 8. und 9. als das wärmste Pfingsten und der gesamte Monat als der trockenste seit 1951 in die Statistik ein.

Der August ließ dagegen den Sommer abstürzen. Er hatte lediglich fünf Sommertage mit 25 und mehr Grad im Gepäck. Der wärmste Tag war der 10. mit 28,3 Grad. Heiße Tage? Fehlanzeige. Die sind im vergangenen August komplett ausgefallen. Außerdem waren der Juli und der August extrem nass: Im Juli fiel en mit 160 Litern pro Quadratmeter 2,5 und im August mit 120 Litern 1,5 mal so viel Niederschlag wie in den Vergleichsmonaten. Damit gleichen beide Monate aber ihren Vorgängern im Jahr 2013 mit ähnlich hohen Niederschlagsmengen. Daraus ein Prognose für 2015 abzuleiten, bezeichnet Riedl als Kaffeesatzleserei. Zusammenhänge mit dem Klimawandel vermutet er aber doch: „Je wärmer es ist, um so mehr Feuchtigkeit bindet die Atmosphäre und die entlädt sich dann wieder“, sagt er.

September, Oktober und November waren ebenfalls zu warm – und zwar um 1,1, sowie 3,2 und 2,8 Grad. Riedl vermutet, dass das Jahr 2014 mit durchschnittlich 11,8 Grad am Schnarrenberg nicht nur seit 63, sondern wie bundesweit seit 130 Jahren das wärmste Jahr ist. „Durch Aufzeichnungen belegen lässt sich das allerdings nicht“, bedauert er.

Die steigenden Temperaturen rufen auch die Klimaexperten auf den Plan: „Jedes Grad mehr rückt uns 250 Kilometer Richtung Italien“, sagt Jürgen Baumüller, Klimaexperte an der Universität Stuttgart. Mit 2, 3 Grad über dem Soll lässt die Landeshauptstadt das 503 Kilometer entfernte Mailand bereits hinter sich. „Mitte des Jahrhunderts kommen wir in Sizilien an“, ist Baumüller überzeugt. Die Konsequenz des Klimawandels sei, dass die Stadtplaner umdenken müssten. Dort, wo Menschen wohnen, sollten laut Baumüller Grünflächen entstehen, auch wenn sie nur klein sind. „Bäume sorgen für Schatten und der Rasen durch Verdunstung für Abkühlung“, so Baumüller.

Außerdem sollte in den Städten viel Wasser fließen und Brunnen geschaffen oder wieder aktiviert werden. Da durch die Erwärmung nur örtlich, nicht aber flächendeckend viel Regen fällt, muss bei Starkregen Wasser gespeichert werden und darf nicht durch falsche Versiegelung ablaufen. Dass über künstliche Bewässerung nachgedacht werden muss, steht für ihn außer Frage. „Der Gesetzgeber fordert, dass die Stadtplaner die Entwicklung der kommenden Jahre berücksichtigen“, sagt Tochter Nicole Baumüller, die selbst Stadtplanerin ist und derzeit über den Klimawandel promoviert.

Am heutigen Samstag ist ein Sturmtief und Regen angesagt. Die Temperaturen dürften bei 6 Grad liegen. Zu Wochenbeginn könnte eine Kältefront das Thermometer auf unter Null Grad rutschen lassen.. Eventuell gibt es aber etwas Sonne...