Im Gastgewerbe ist der Bedarf an Fachkräften groß – das birgt auch Chancen für Asylsuchende wie den 28-jährigen Syrer Hazem Ali Alsharaa: Er arbeitet als Küchenhilfe in einem Stuttgarter Betrieb. Foto: StN

Das Hotel- und Gaststättengewerbe im Land wächst, der Umsatz stieg im vergangenen Jahr erneut an. Das birgt Chancen für Flüchtlinge.

Stuttgart - In der Küche der Stuttgarter Buddha Lounge herrscht Hochbetrieb. Es riecht nach gebratenem Fleisch, in den Pfannen zischt das Fett. Hazem Ali Alsharaa wischt sich die feuchte Stirn mit dem Ende seiner Kochschürze ab, bevor er einen Schwung Bratkartoffeln wendet. Seit sechs Monaten hilft der 28-jährige Syrer als geringfügig Beschäftigter in der Küche des Gastro- und Eventbetriebs im Stuttgarter Süden aus. Immer nachmittags nach seinem Sprachkurs. „Die Arbeit macht mir viel Spaß“, sagt Alsharaa. Seit etwas mehr als einem Jahr ist er nun in Deutschland – er flüchtete, weil er nicht für das Assad-Regime kämpfen wollte. Bevor er eingezogen werden sollte, hat er in Syrien als Staplerfahrer gearbeitet. Doch in Deutschland fand er in diesem Bereich keinen Job. Dann also Küchenhilfe. „Ich mag es nicht, in der Unterkunft zu sitzen und Geld vom Jobcenter zu bekommen.“

Dass der junge Mann aus Syrien als Küchenhilfe in dem Stuttgarter Betrieb anfangen konnte, hat er auch seinem Bekannten Akram Jemai zu verdanken. Jemai ist Küchenchef in der Buddha Lounge, Alsharaa kennt er aus der Moschee. Irgendwann hat er ihn seinem Arbeitgeber als Küchenhilfe vorgeschlagen – zu tun gab es genug. Bei der Buddha Lounge ist man froh über die zusätzliche Hilfe – die gesamte Belegschaft sei multikulturell, und ob jemand Deutscher oder Syrer sei, spiele für sie als Arbeitgeber keine Rolle, sagt Projekt-Betriebsleiterin Sabine Klemm. Dabei hilft auch, dass Küchenchef Jemai Arabisch spricht und Alsharaa so helfen kann – die Sprache ist für den jungen Syrer derzeit noch die größte Hürde.

Für die gastgewerbliche Branche im Land sind Asylsuchende und Flüchtlinge wie Hazem Ali Alsharaa zunehmend von Bedeutung. Das machte der Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Baden-Württemberg, Fritz Engelhardt, bei der Verkündung der Jahresbilanz am Dienstag in Stuttgart deutlich. „Die Verschärfung des Fachkräftemangels in unserer Branche ist vorgezeichnet“, sagte Engelhardt. Landesweit seien im Januar dieses Jahres 4300 Stellen im Hotel- und Gaststättengewerbe als unbesetzt gemeldet gewesen – dazu käme wohl eine hohe Dunkelziffer. Auch die Ausbildungszahlen seien seit längerem rückläufig, sagte der Verbandsvorsitzende. „Die Integration von Flüchtlingen sehen wir daher ganz klar als Chance.“

Viel mehr Migranten arbeiten im Gastgewerbe als in anderen Branchen

Die Möglichkeiten, die die Branche für Zugezogene und Geflüchtete biete, würden schon jetzt genutzt, machte Engelhardt deutlich. Ende Juni 2015 habe der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus sogenannten Asylzugangsländern – also beispielsweise Syrien, dem Irak oder Afghanistan – bereits bei 4,2 Prozent gelegen. Dieser Anteil ist deutlich höher als in der Gesamtwirtschaft in Baden-Württemberg, wo der Anteil der Beschäftigten aus nichtsicheren Herkunftsländern zum gleichen Zeitpunkt nur bei etwa 1,7 Prozent lag.

Das Hotel- und Gaststättengewerbe im Land verzeichnet steigende Umsatz- und Beschäftigungszahlen. Noch. Dieser Wachstumskurs des Gastgewerbes sei ohne ausländische Mitarbeiter nicht möglich, sagte Engelhardt. Rund 38 Prozent der Beschäftigten im baden-württembergischen Gastgewerbe seien ausländische Arbeitnehmer. „Unsere Betriebe sind es gewohnt, mit Mitarbeitern aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen zu arbeiten“, so Engelhardt. In der Branche gebe es eine Reihe von Tätigkeiten, die „auch ohne perfekte Sprachkenntnisse und einschlägige Berufsausbildung“ machbar seien. Darüber hinaus sehe man die Ausbildung junger Zuwanderer als Chance, Fachkräfte für die Branche zu qualifizieren.

Weil die Integration und Ausbildung von Asylsuchenden und Geflüchteten auch Aufwand für die gastronomischen Betriebe bedeute, fordere man einfachere und flexiblere Regeln für deren Beschäftigung. So müsse es die Möglichkeit geben, Asylsuchenden beim Jobeinstieg bis zu sechs Monate geringere Löhne zu zahlen, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführer Jürgen Kirchherr. Ähnlich wie bei der Reintegration von Langzeitarbeitslosen könne dies eine gute Übergangsmöglichkeit darstellen. Schon jetzt müssen die Betriebe im Land ihren Mitarbeitern nach Tarif 9,61 Euro zahlen – knapp einen Euro mehr also, als der Mindestlohn vorgibt.

Verband dringt auf weniger Bürokratie bei Einstellungen

Auch bürokratische Hürden im Hinblick auf die Beschäftigung von Geflüchteten müssten abgebaut werden, fordert Verbandschef Engelhardt: „Die Vorrangprüfung für Asylbewerber mit einer realistischen Bleibeperspektive sollte fallen.“ Nach dem dreimonatigen Arbeitsverbot solle es Zugezogenen möglich sein, sich wie EU-Bürger zu bewerben. Bislang wird in einem Zeitraum von 12 Monaten geprüft, ob Deutsche und EU-Bürger für eine offene Stelle infrage kommen. Faktisch blieben so viele offene Stellen, dass Flüchtlinge niemandem den Job wegnehmen würden, so Engelhardt.

Bürokratische Hürden hat es bei der Anstellung von Hazem Ali Alsharaa in der Stuttgarter Buddha Lounge nicht gegeben. Alsharaa musste ein paar Monate warten, bevor er arbeiten durfte. Heute hofft er, dass er im Sommer vielleicht fest übernommen wird, als Küchenhilfe. Oder doch irgendwann wieder Stapler fahren kann. Also lernt er weiter Deutsch, kocht schwäbisch oder chinesisch und schneidet kiloweise Obst für Nachtische. Für eine Zukunft in Syrien habe er die Hoffnung verloren, sagt Alsharaa.