Winzer Fabian Rajtschan (r.) hat am Donnerstag den Helfensteiner gelesen. Am kommenden Wochenende kommt der Trollinger dran. Foto: Georg Friedel

Im Stuttgarter Norden ist die Weinlese bereits in vollem Gange. Die Winzer erwarten einen guten, wenn auch nicht herausragenden Jahrgang. Allerdings fällt der Ertrag deutlich geringer als im vergangenen Jahr aus. Schuld ist der Spätfrost im April dieses Jahres.

Feuerbach - Alois Bogenschütz zupft in seinem Wengert am Lemberg eine Spätburgundertraube vom Rebstock. Anschließend zerdrückt er die dunkelblaue Beere zu Brei. Dann klappt der Weilimdorfer Freizeitwengerter sein Refraktometer auf und träufelt den Beerensaft darauf. Er kneift das rechte Auge zu und schaut mit dem linken durchs Objektiv. So kann der 72-Jährige aus Weilimdorf anhand der Skala und der Farbgebung das Mostgewicht seiner Trauben schon nach wenigen Sekunden ablesen: 93 Grad Oechsle zeigt das Gerät. Oechsle ist die Maßeinheit für das Mostgewicht (Zuckergehalt) des unvergorenen Traubensaftes. Die dunkel bis violettblauen Pinot-Noir-Trauben in dem Bogenschütz’schen Wengert liegen so zwischen 90 und 95 Grad. Ein schöner Wert und es ist gerade mal der 20. September. Ein paar seiner Trauben seien zwar von Wespen angeknabbert worden, aber insgesamt sei die Qualität sehr gut, sagt Bogenschütz.

Dem Riesling und Cabernet Franc will Bogenschütz noch ein paar Sonnenstrahlen gönnen

Deshalb greift er an diesem trockenen Mittwoch zur Rebschere und holt die dunkelblauen Trauben vom Stock. Seine Frau Regine, Tochter Heike Bruckner und Rolf Eberspächer helfen ihm bei der Lese. Den Spätburgunder – in Frankreich heißt er Pinot Noir – hat er erst vor drei Jahren gepflanzt: Die dichtbeerige Traube verlangt feinerdige und warme Böden. Und die gönnt Alois Bogenschütz auch seinen Weinen: Insgesamt 30 Ar Fläche bewirtschaftet er, reiner Südhang. Neben dem Spätburgunder hat er noch Riesling und Cabernet franc, den er hier ebenfalls anbaut. Vor allem seinem Cabernet Franc, aber auch dem Riesling würde er sehr gerne noch den einen oder anderen sonnigen September- und Oktobertag gönnen . Der Ertrag fällt durch die großen Frostschäden im Frühjahr geringer aus – je nach Sorte aber unterschiedlich: Beim Cabernet Franc, schätzt Bogenschütz, seien es rund 40 Prozent weniger, bei seinem Spätburgunder 20 bis 30 Prozent und beim Riesling 10 Prozent.

Weniger Ertrag, gute Qualität

Deutlich weniger Trauben verzeichnet auch Fabian Rajtschan. Er ist in Feuerbach der einzige Vollerwerbswinzer und bewirtschaftet 4,5 Hektar Fläche, wobei 1,5 Hektar Junganlagen sind. Beim Dornfelder war es dieses Jahr besonders krass: „Da haben wir nur 50 Prozent des sonst üblichen Ertrages“, sagt er. Die reduzierte Menge variere aber je nach Lage und Sorte sehr. Am Donnerstag holte er den Helfensteiner vom Rebstock. Trotz der frühen Lese sei die Qualität sehr gut. Es sei zwar schwer zu sagen, weil eben die Weinqualität von vielen Faktoren abhänge, sagt der studierte Önologe, aber er rechne mit „Qualitäten im oberen Bereich“. Natürlich würde er die eine oder andere Sorte gerne länger hängen lassen: „Aber der Regen in den vergangenen beiden Wochen war nicht förderlich für das Lesegut.“ Hinzu komme, dass sich Wespen, Vögel und vor allem die Rehe über seine zum Teil direkt am Waldrand wachsenden Rebstöcke und Trauben hermachen. „Die Basisqualitäten hole ich jetzt vom Stock, die besseren Qualitäten lasse ich noch hängen“, sagt Rajtschan auch angesichts guter Wetterprognosen.

Die Kirschessigfliege ist am Lemberg vereinzelt unterwegs

„Weniger Ertrag, aber eine höhere Qualität“, lautet die Bilanz des Zuffenhäuser Hobbywengerter Joachim Friedrich, der auch am Lemberg Weinberge hat. Der harte Frost mit Minus 5 Grad am 20. April hatte so gesehen auch sein Gutes. Wobei im Wengert die Ausnahme die Regel bestätigt: „Vergangenen Sonntag habe ich den Helfensteiner gelesen. Da hingen so viele Trauben drin wie noch nie.“ Allerdings mussten auch Beeren aussortiert werden. Die Kirschessigfliege habe er schon vereinzelt gesichtet, sagt Friedrich. Ansonsten hätten vor allem Wespen Schäden im Wengert verursacht. Denn die Krux ist, dass die Insekten durch den Frost in diesem Jahr nur wenig andere süße Nahrung in der freien Natur finden.

Übrigens verzichtet Alois Bogenschütz in seinem Wengert weitestgehend auf Chemie: „Ich praktiziere den vollökologischen Weinbau und bin auch Mitglied im Beratungsdienst ökologischer Weinbau in Freiburg“, sagt der passionierte Bergsteiger, der 2009 den Mount Everest erklommen hat. In einigen Wochen will er den Gipfel des Ama Dablam, einen Berg ganz in der Nähe des Mount Everst, bezwingen.

Boden hacken und Unkraut jäten – im ökologischen Weinbau ist vieles Handarbeit

Da kann die eine oder andere zusätzliche Trainingsschicht in der Feuerbacher Steillage am Höhenweg nicht schaden. Ökologischer Weinbau ist im wahrsten Sinne des Wortes Knochenarbeit. Denn wo andere Freizeitweingärtner zum Breitbandherbizid greifen und den Spritzmittel-Kanister herausholen, um die Unkräuter in ihren Rebanlagen zu bekämpfen, hackt Alois Bogenschütz noch nach Urvätersitte mit der Hand seine Rebanlagen durch. Wenn er seine gesamten Rebstockreihen gejätet hat, dann entspricht das einer mit der Hacke bearbeiteten Wegstrecke von 1,4 Kilometern Länge. Als Pflanzenschutzmittel kommen in seinem Wengert lediglich Schachtelhalmextrakt, Wasserglas, Schwefel und Kupfer in sehr geringer Dosierung zum Einsatz.

Auch Fabian Rajtschan wirtschaftet im Wengert nachhaltig. Er sei zwar nicht zertifiziert, betreibe den Weinbau aber auch vollökologisch, betont er. Rajtschans Leitsatz lautet: „Wein ist ein Naturprodukt und der Natur muss man Gutes tun, damit man Gutes zurückbekommt.“

Am Freitag, 22. September, findet das 31. Herbstansingen des Wein-, Obst- und Gartenbauvereins Feuerbach am mittleren Weinbergweg statt. Der Zugang erfolgt über die Ecke Tannenäckerstraße und Hattenbühl. Beginn ist um 19 Uhr. Es spielt der CVJM-Posaunenchor.