Die deutsche Justiz muss bisweilen lange Wege gehen, um dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen. Foto:  

Ein 36-jähriger Mann aus Fellbach erhält vom Landgericht Stuttgart eine Geldstrafe wegen versuchten Diebstahls von Kartoffeln.

Stuttgart – Die deutsche Justiz geht bisweilen lange Wege, um dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen – egal,ob es sich um ein Gewaltdelikt oder um etwas handelt, das bis 1975 als Mundraub galt. Dies wird im Fall einer juristischen Petitesse deutlich, die am gestrigen Donnerstag in einer Berufungsverhandlung vor dem Stuttgarter Landgericht aufgerufen wurde.

Das Objekt der Begierde: Kartoffeln. käfferlein Zusammen mit seinem Komplizen Saddam M. macht sich Mahmud A. über die Kartoffeln her

Angeklagt war der 36-Jährige Mahmud A. (alle Namen geändert) aus Fellbach, der in einer städtischen Unterkunft wohnt. Gegenüber dieser Unterkunft liegt ein Feld, auf dem im vergangenen Sommer dicke Kartoffeln wuchsen. Zusammen mit seinem Komplizen Saddam M. machte sich Mahmud A. über die Kartoffeln her. Jeder der beiden hatte eine Kunststofftüte dabei und erntete in einer separaten Reihe die Feldfrüchte ab. Pech für das Duo war jedoch, dass der Eigentümer des Felds, ein Fellbacher Gärtnermeister, just zur Tatzeit an seinem Grund und Boden vorbeifuhr. Weil ihm in den Wochen zuvor bereits 400 Kilogramm Kartoffeln gestohlen worden waren, warf er einen besonders prüfenden Blick auf sein Feld und entdeckte die unerwünschten Erntehelfer. Schnell rief er die Polizei zu Hilfe und fotografierte Mahmud A. und Saddam M. Anhand des Fotos konnte das Duo, dessen Hände noch mit Erde verschmutzt waren, rasch von der Polizei ermittelt werden. Eine Bezahlung für die entwendeten Kartoffeln im Wert von acht Euro lehnte der Landwirt angesichts der zuvor verübten Diebstähle ab.

Wie in solchen juristisch bedeutungsarmen Fällen üblich, sollte die Angelegenheit durch einen Strafbefehl abgeschlossen werden. Das verhinderte jedoch ein dagegen eingelegter Einspruch. Vor dem Amtsgericht Waiblingen zeigte sich Saddam M. geständig, das Verfahren gegen ihn wurde wegen geringer Schuld eingestellt.

Mahmud A. jedoch fühlt sich trotz der erdrückenden Beweislast unschuldig

Mahmud A. jedoch fühlte sich trotz der erdrückenden Beweislast unschuldig. Angesichts von zehn Eintragungen im Bundeszentralregister und mehrerer vorangegangener Gefängnisaufenthalte wurde er vom Amtsgericht Waiblingen zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 4 Euro verurteilt. Direkt nach dem Schuldspruch legte er Berufung ein, weshalb sich die 36. Kleine Strafkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Alexander Stuckert zweieinhalb Stunden mit dem massiv gebauten und in lautem fordernden Ton auftretenden Angeklagten auseinandersetzen musste.

Dem Richtertrio erschienen die von der Polizei vorgelegten Beweise offenbar ebenso überzeugend wie das sehr glaubwürdig erscheinende Opfer. Auch ein für Mahmud A. belastendes Geständnis seines Mittäters dürfte das Gericht von der Schuld des Angeklagten überzeugt haben. In seinem Urteil kassierten die Richter dennoch teilweise den Spruch des Waiblinger Amtsgerichts. Weil die Kartoffeln noch nicht im Gewahrsam der Angeklagten waren, wurde Mahmud A. nicht wegen Diebstahls, sondern lediglich wegen des Versuchs schuldig gesprochen. Statt 25 Tagessätzen zu je 4 Euro muss er jetzt 20 Tagessätze zu je 5 Euro bezahlen. Es bleibt also bei der Geldstrafe von 100 Euro.

Der Fellbacher Gärtnermeister erhielt seine Kartoffeln wieder zurück

Der Fellbacher Gärtnermeister übrigens erhielt seine Kartoffeln zurück. Anfangen konnte er damit nichts, denn sie waren kurz vor der unerlaubten Ernte gespritzt worden. Die vorgeschriebene Wartezeit bis zur Ernte war noch nicht abgelaufen. Inzwischen wächst auf dem Feld eine für Diebe weniger attraktive Frucht.