In Stuttgart gibt es künftig einen Feinstaub-Alarm. Foto: dpa

Im Kampf gegen Schadstoffe in der Luft ruft Stuttgart künftig Feinstaub-Alarm aus - setzt aber weiter auf Freiwilligkeit. Der Alarm soll ausgerufen werden, wenn für mindestens zwei aufeinanderfolgende Tage vorhergesagt wird, dass der Luftaustausch in der Stuttgarter Kessellage eingeschränkt ist.

Stuttgart - Als erste deutsche Großstadt setzt Stuttgart künftig auf Feinstaub-Alarm. Vom 11. Januar an wird die Bevölkerung über die Medien oder Infotafeln am Straßenrand informiert, wenn bei den Luftschadstoffen wie Feinstaub oder Stickstoff eine Überschreitung der Grenzwerte droht. Dann sollen Autofahrer freiwillig auf ihr Fahrzeug verzichten und auf den Nahverkehr umsteigen. Dies teilten der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann und Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (beide Grüne) am Freitag mit.

„Wir wollen ein Angebot machen, dass sich das Verhalten ändert“, sagte Hermann. Das nun vorgestellte Konzept sieht noch keine drastischen Maßnahmen wie Fahrverbote vor. „Wir wollen sie vermeiden“, sagte der Grünen-Politiker. Für Fahrverbote brauche es keine extra gesetzliche Grundlage. „Wenn man es machen will, braucht man eine politische Grundlage“, betonte der Minister. Verbote würden frühestens ab dem Winter 2017/2018 ein Thema, weil bei einem Feinstaub-Alarm die Erfahrungen mit Appellen an die Bevölkerung erst einmal bewertet werden müssen.

Hermann will bei der Verringerung der Luftschadstoffe in Zukunft auf die blaue Umweltplakette setzen. Diese gibt es bisher nicht, künftig aber könnten nur so gekennzeichnete Autos in der Innenstadt fahren, wenn es nach dem Minister geht. Dagegen sperre sich bislang Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), hieß es. Die blaue Plakette sollen Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 6 sowie Benziner mit Euro 3 erhalten.

Nur noch am Neckartor komme es zu Überschreitungen

Der Feinstaub-Alarm soll künftig von der Stadt ausgelöst werden, wenn für mindestens zwei aufeinanderfolgende Tage vorhergesagt wird, dass der Luftaustausch in der Stuttgarter Kessellage eingeschränkt ist. An solchen Tagen steigt die Konzentration von Luftschadstoffen wie Feinstaub und Stickstoffdioxid stark an. Die Prognose erstellt der Deutsche Wetterdienst. Der Plan für den Feinstaub-Alarm ist nach Angaben der Stadt und des Landes bislang bundesweit einmalig. Die Bevölkerung wird dann per Radio oder Infotafeln am Straßenrand aufgefordert, freiwillig das Auto stehenzulassen und Bahnen und Busse zu nutzen - dafür soll es zum Start Anreize im Nahverkehr geben.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) übte heftige Kritik. Die Maßnahmen seien bei weitem nicht ausreichend, sagte DUH-Chef Jürgen Resch. Notwendig sei ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge. In Stuttgart ist an der Messstation Neckartor der EU-Feinstaub-Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bisher regelmäßig überschritten worden. Erlaubt sind 35 Verstöße im Jahr. Bis 10. November wurde an 52 Tagen gegen den Grenzwert verstoßen. Bislang ist das in Deutschland in diesem Jahr die einzige Stelle, an der die Grenzwerte der EU überschritten werden. Wegen hoher Feinstaub- und Stickstoffdioxidwerte laufen gegen Deutschland EU-Vertragsverletzungsverfahren. Die EU habe sehr klargemacht, dass sie darauf achte, was in Stuttgart passiere, sagte Hermann.

Kuhn verwies darauf, dass die Feinstaubwerte in den letzten Jahren zurückgegangen seien. Nur noch am Neckartor komme es zu Überschreitungen. Hauptproblem sei aber die Stickoxid-Problematik. Neben dem Verkehr sind die beliebten zusätzlichen Holzöfen eine weitere Ursache für Schadstoffe in der Luft. Auf deren Einsatz solle bei Feinstaub-Alarm ebenfalls verzichtet werden. Der Auto Club Europa (ACE) erklärte, natürlich müssten auch die Autofahrer ihren Teil zur Absenkung der Emissionen beitragen. „Es ist allerdings zu begrüßen, dass auch andere Emittenten - wie beispielsweise Holzöfen - in den Fokus rücken“, teilte der ACE mit. Auch andere Großstädte haben Probleme mit Stickstoffdioxid - Frankfurt/Main oder Hamburg etwa. In Nordrhein-Westfalen wird gleichfalls regelmäßig vor Feinstaub gewarnt.