Mit dem Rad über Stock und Stein – in Stuttgart soll das doch bald legal sein Foto: dpa

Was verbindet eine Downhill-Strecke mit Stuttgart 21 oder einem Tarifstreit? Stockt das Thema, soll ein Spitzentreffen den Ausweg weisen. Zuweilen gelingt das, etwa bei der festgefahrenen Planung der ersten legalen Querfeldein-Radroute der Stadt, die nach einem Gespräch unter Bürgermeistern an Fahrt gewinnt.

Stuttgart - Valparaiso ist nicht Stuttgart. Seit Jahren rasen waghalsige Radler im Februar in einem irren Tempo durch die Gassen der chilenischen Küstenstadt talwärts – offiziell, im Rahmen eines Wettbewerbs. Davon kann die Stuttgarter Downhill-Szene bisher nur träumen, können ihre Mitglieder neidisch die einschlägigen Videos im Internet anklicken und sich ansonsten in der Landeshauptstadt nur gesetzeswidrig auf zwei Rädern den Berg hinunterstürzen.

Doch in die festgefahrene, bereits Jahre andauernde Planung einer offiziellen Stuttgarter Downhill-Strecke kommt Bewegung. Vorige Woche traf sich Sport- und Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann mit ihren Kollegen Matthias Hahn vom Bau- und Dirk Thürnau vom Technikressort. Das Ergebnis des Treffens der Verwaltungsspitzen skizziert Susanne Eisenmann so: „Die offenen Fragen wurden angesprochen und ausgeräumt, bis zum Sommer soll eine Genehmigung für die Strecke vorliegen.“ Hört sich so an, als ob eine offenbar hoch komplizierte, seit Jahren ungelöste Angelegenheit doch noch ein Happy End erfährt.

Grafik zur Downhill-Strecke

Von der Trendsportart angetan, hatte Altoberbürgermeister Wolfgang Schuster der Downhill-Gemeinde schon 2006 versprochen: „Wir werden euch eine Strecke bauen.“ Die damals bürgerliche Mehrheit im Gemeinderat teilte diese Begeisterung nicht, das Thema lag jahrelang auf Eis, während die mit Helm und Protektoren geschützten Radler verbotenerweise über Stock und Stein um Bäume brausten, als seien diese Slalomstangen. Rund 15 wilde Radrouten in Stuttgarts Wäldern und zahlreiche unheimliche Begegnungen von Spaziergängern mit Downhill-Radlern zwangen die Stadt zum Handeln. 2011 bewilligte der Gemeinderat insgesamt 135 000 Euro für Bau und zwei jährigen Probebetrieb einer gut einen Kilometer langen, legalen Strecke von Degerloch nach Heslach. Die Stadt peilte eine Eröffnung in der zweiten Jahreshälfte 2012 an. Doch dann schienen sich die Probleme zu türmen: Sicherheits- und Haftungsfragen sowie das Thema Landschaftsschutz erwiesen sich laut Stadt als derart diffizil, dass Sportamtsleiter Günther Kuhnigk kürzlich die Strecke grundsätzlich infrage stellte.

Geld war da, der politische Wille auch, aber sollte wirklich einzig die Rechtslage dem Bau einer offiziellen Downhill-Strecke entgegenstehen? Nach dem Bürgermeister-Treffen vorige Woche wagt die Stadt nun einen neuen Vorstoß. Das Sportamt wird federführend einen genehmigungsfähigen Antrag auf landschaftsschutzrechtliche Befreiung ausarbeiten, so Susanne Eisenmann. Das Amt für Umweltschutz soll für seine Zustimmung offenbar einen gewissen Ermessensspielraum ausschöpfen. Eine besondere Rolle spielt dabei die sogenannte Eingriffsausgleichsbilanz. Das Wortungetüm aus der Verwaltungssprache beschreibt, welche Maßnahmen als Ausgleich für Eingriffe in die Landschaft im Bereich Dornhalde notwendig sind. So werde beispielsweise für ein Streckenhindernis woanders ein Biotop erweitert, erläutert Kuhnigk. Vor allem darf künftig nicht mehr wild durchs Unterholz gebrettert werden. Der Sportsamtschef spricht von inzwischen an die 30 illegalen, auch von normalen Mountainbikern genutzten Routen, „die wir aber nicht alle kontrollieren können“. Ausgewählte Strecken würden in gewissen Abständen überprüft, gegebenenfalls künstliche Hindernisse abgebaut oder Fahrrinnen mit Erde verfüllt. Klar ist auch: Downhill-Räder entsprechen in der Regel nicht der Straßenverkehrsordnung, weshalb sie nach dem Ziel der offiziellen Strecke geschoben werden müssen.

Wenn sich die Downhill-Szene an all die Regeln hält, werde die Stadt die Strecke über die bis zu drei Jahre dauernde Testphase hinaus betreiben, so Susanne Eisenmann.