Die Party zum Tag der Deutschen Einheit ist bei Traumwetter in Stuttgart gestartet. Ossis und Wessis wollen Gemeinsamkeiten feiern. Doch einige „Gräben“ bleiben unüberwindbar. Foto: FRIEBE|PR/ Sven Friebe

Erstmals ist ein Grüner Ausrichter der Feier zum Tag der Einheit. Zum Fest der Superlative erwartet Südwest-Regierungschef Kretschmann die beiden Ostdeutschen Gauck und Merkel. Doch auch zum Feiertag ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen zwischen Ossis und Wessis.

Stuttgart  - Bundesratspräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat bei der Feier zum Tag der Deutschen Einheit das „Wunder“ der Wende gewürdigt. „Die deutsche Wiedervereinigung, das friedliche Zusammenkommen aus dem Kalten Krieg heraus, war ein einzigartiger historischer Glücksfall“, sagte Baden-Württembergs Regierungschef am Mittwoch in Stuttgart. Die Einheit sei einer friedlichen Revolution zu verdanken und „ein Wunder, mit dem niemand gerechnet hat“. Das Ereignis sei für ihn umso bedeutsamer, da er bei Verwandtenbesuchen in der DDR „die ganze Kühle und Willkürlichkeit einer Diktatur“ persönlich erlebt habe.

Zu dem zweitägigen Fest der Superlative unter dem Motto „Zusammen einzigartig“ wurden 400.000 Menschen erwartet, darunter die politische Elite Deutschlands. Es begann am Mittwoch mit einem Bürgerfest in der Innenstadt, zu dem schon Zehntausende kamen. Viele verfolgten am Abend ein Konzert um den gebürtigen Stuttgarter Max Herre. Einziger Wermutstropfen für den grünen Gastgeber war der Protest von rund 200 Stuttgart-21-Gegnern, den er mit dem Hinweis auf eine Mehrheit für einen Weiterbau bei der Volksabstimmung zurückwies.

Zum Einheitstag machen Ost-Ministerpräsidenten Druck beim Thema Rente. Die Regierungschefs von Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern, Christine Lieberknecht (CDU) und Erwin Sellering (SPD), erwarten von der neuen Bundesregierung die Anhebung der Ost-Renten auf Westniveau. „Unabhängig davon, wer mit der Union letztlich regiert, die Rentenangleichung muss als Aufgabe in den Koalitionsvertrag“, sagte Lieberknecht. Sellering ergänzte: „Die Angleichung muss endlich kommen.“ Aus vielen Gesprächen mit Betroffenen wisse er, dass die auch 23 Jahre nach der Einheit bestehenden Unterschiede im Rentenrecht als große Ungerechtigkeit empfunden werden.

Politische Spitze des Landes erwartet

Am Donnerstag wird die politische Spitze des Landes zu einem ökumenischen Gottesdienst und einem Festakt in Stuttgart erwartet. Bundespräsident Joachim Gauck und Kretschmann halten Festreden. Zur Feier kommen auch Kanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU), der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, sowie etliche Bundesminister und Ministerpräsidenten. Bereits am Mittwochabend hatte Kretschmann den Bundespräsidenten und die Länderchefs zu einem Dinner ins Haus der Geschichte in Stuttgarts Mitte geladen.

Traditionell werden die Einheitsfeiern jedes Jahr in dem Bundesland ausgerichtet, das gerade den Vorsitz im Bundesrat innehat. Von November an übernimmt Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) von Kretschmann den Vorsitz der Länderkammer.

Der Baden-Württemberger betonte, es habe ihn besonders berührt, dass die Länder in Ostdeutschland so schnell wieder auferstanden seien, obwohl die SED sie geschleift hatte. Das 1952 aus drei Ländern fusionierte Baden-Württemberg habe ebenfalls seine Erfahrung mit dem Zusammenwachsen. Es sei ein langwieriger und nicht immer einfacher Prozess gewesen. „Auch Baden-Württemberg ist seine Einheit nicht in den Schoß gefallen.“

Der scheidende Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sieht die Ostdeutschen 23 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht als gleichberechtigt an. „Für mich ist die deutsche Teilung erst wirklich vorbei, wenn bei einer höheren Beförderung eines aus Ostdeutschland stammenden Angestellten im öffentlichen Dienst keine automatische Abfrage bei der Stasi-Unterlagenbehörde mehr erfolgt“, sagte der SPD-Politiker der „Nordwest-Zeitung“.

Rund 2000 Polizisten im Einsatz

Für CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe ist die Deutsche Einheit eine Erfolgsgeschichte. Aber es gebe auch noch viel zu tun, etwa bei der Förderung der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und dem Ausbau der Infrastruktur. Nach Überzeugung des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch hat das vereinte Deutschland die Aufgabe, „zu einem Europa beizutragen, das verlässlich der Verständigung und dem Frieden unter den Völkern und Staaten dient“.

Auf dem Stuttgarter Schlossplatz geben Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat Einblick in ihre Arbeit - zum Beispiel anhand nachgestellter Plenarsitzungen. Auch der baden-württembergische Landtag präsentiert sich in seinen unterschiedlichen Facetten. Als High-Tech-Land stellt der Südwesten sich auf dem Karlsplatz dar. Rund 2000 Polizisten sind im Einsatz.