Gegen den illegalen Verkauf von Alkohol wollen Polizei und Kommunen mit minderjährigen Testkäufern vorgehen. Foto: AP

Polizei und Ordnungsamt prüfen von Mitte August an Supermärkte und Tankstellen.

Stuttgart - Supermärkten und Tankstellen drohen in den nächsten Tagen Alkohol-Testkäufe von Polizei und Ordnungsamt. Jugendliche Lockvögel sollen von Mitte August an überprüfen, ob beim Verkauf von Alkohol die Jugendschutzbestimmungen eingehalten werden. Eine ähnliche Aktion brachte vor einigen Tagen im Rems-Murr-Kreis ein ernüchterndes Ergebnis: Die Sünderquote lag bei 46 Prozent.

"Uns geht es vorrangig um Vorbeugung, nicht um möglichst viele Bußgelder", sagt Ulrich Sauter von der Stuttgarter Polizei zur öffentlichen Ankündigung der Lockvogel-Aktion. Ziel sei es, das Verkaufspersonal und die Gewerbetreibenden noch einmal zu sensibilisieren. Es müsse selbstverständlich werden, sich nach dem Alter der Kunden zu erkundigen und sich gegebenenfalls den Ausweis zeigen zu lassen.

"Beim Feiern gehört Alkohol dazu"

Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen bleibt ein Alarmfall: Bei 32,9 Prozent der schweren Körperverletzungen, die von unter 21-Jährigen begangen wurden, waren die Täter alkoholisiert. "Bei unseren Kontrollen in der Stadt ist die Quote der Alkoholisierten nicht gesunken", sagt Sauter, "beim Feiern gehört der Alkohol dazu, heißt es dann immer wieder."

Bei den Testkäufern handelt es sich um jugendliche Auszubildende bei Stadtverwaltung und Polizei, die bei mehreren Aktionen im Stadtgebiet unterwegs sind. "Wer branntweinhaltige Getränke an Jugendliche verkauft, kann mit einem Bußgeld bis zu 3500 Euro belegt werden", heißt es.

Sünderquote im Jahr 2004: Rund 80 Prozent

Allerdings gelten solche Summen für die Gewerbetreibenden - und die kommen bisher ungeschoren davon. Sanktionen bleiben beim Verkaufspersonal hängen. Dies wurde im Fall einer 17-jährigen Aushilfskassiererin deutlich, die einen Bußgeldbescheid über 2100 Euro zahlen sollte. Zwar erkannte die Behörde den Fehler und reduzierte den Betrag auf 177 Euro - hielt aber am Prinzip fest, dass der Kassierer und nicht der Gewerbebetrieb haftet. "Man müsste dem Betreiber nachweisen können, dass er seine Aufsichtspflicht verletzt hat", sagt Wolfgang Rupp von der Gewerbebehörde der Stadt, "das ist aber schwierig." Das Personal sei eingewiesen, dazu gebe es Warnsignale an der Kasse.

Wie oft ein Betrieb auffällig werden muss, ehe Konsequenzen drohen, "lässt sich nicht pauschal beantworten", sagt Rupp. Dass manche Handelsketten eher auffallen als andere, bestreitet Rupp nicht: "Fachliche Unterschiede beim Kassenpersonal im jeweiligen Betrieb sind nicht auszuschließen", sagt er. Im Fall der jugendlichen Kassiererin sei der Konzern angemahnt worden und der habe dargelegt, wie umfangreich seine Maßnahmen zum Jugendschutz seien. "Die tun durchaus was", sagt Rupp.

"Der Arbeitgeber kann sich rausreden"

Freilich gehört die Aushändigung einer Mehrfertigung des Arbeitsvertrags für Aushilfen nicht dazu. Die gibt es trotz eindeutiger gesetzlichen Vorschriften nur "auf Wunsch", sagt eine Sprecherin. So wissen die Aushilfskräfte nicht einmal, für welche Verpflichtungen sie unterschrieben haben. "Im Zeitalter zunehmender geringfügiger Beschäftigung hat so etwas Methode", sagt ein Arbeitsvermittler, "der Arbeitgeber kann sich hinterher immer rausreden, dass der Mitarbeiter wohl etwas nicht richtig verstanden habe." Freilich: Weder die Gewerbebehörde noch der Zoll, zuständig für Schwarzarbeit, prüfen solche Verstöße.

Die Stuttgarter Aktion ist übrigens nicht die erste, bei der Behörden jugendliche Lockvögel einsetzen. Bereits im April 2004 gab es in Sindelfingen einen Test von Stadt und Polizei. Damals ermittelte Sünderquote: knapp 82 Prozent. Trotz Erlaubnis durch das Landes-Sozialministerium ist im Kreis Böblingen aber kein Testkauf vorgesehen. "Bei konkreten Störungen werden wir das Instrumentarium nutzen", sagt Böblingens Polizeisprecher Uwe Vincon, "bisher gibt es dazu aber keinen Anlass."