Schlittenwiese in den 1960ern beim Bismarckturm Foto: Thomas Mack

„Aus dr Boah!“ Dieser Ruf erklang einst hundertfach an schönen Wintertagen. Es gab Zeiten, da versank die Stadt im Schnee. Freunde des Stuttgart-Albums erinnern an die Schlittenhänge und Eislaufbahnen ihrer Jugend.

Stuttgart - Ski und Rodel gut – so hieß es damals oft im Wintersportgebiet Stuttgart. Ein beliebter Schlittenhang war der Hügel unterhalb des Bismarckturms, von dem viele Internetbesucher unseres Geschichtsprojekts Stuttgart-Album noch heute schwärmen. „Da ist man nach der Schule direkt zum Schlittenfahren gegangen und war erst kurz vor Dunkelheit wieder zu Hause“, schreibt Sandra Radziwill auf unserer Facebook-Seite. Claus Haustein blickt auf die 1950er Jahre zurück, als vom Klimawandel noch nichts zu spüren war: „Wir hatten in der Kindheit immer Schnee. Erst fuhren wir beim Bismarckturm, dann die ,Sieben Hubla‘ zwischen Kaltental und Vaihingen.“

Die Wiese beim Turm war für Mike Gerhards das „Idiodahügele“. Da sei es oft zu voll gewesen, weshalb manch einer die Piste wechselte – damit es ein paar Grade schneller und gefährlicher. wurde „Am Ende des Tages“, hat Werner Friedrich notiert, „ging es die Feuerbacher Steig runter.“ Aus der Ferne hat sich Sybille Angelika gemeldet und sich über die alten Schlittenbilder im Stuttgart-Album gefreut: „Cool! Ich hab noch so einen Schlitten hier in Alaska.“

Wenn es um die einstigen Winterfreuden in der Region Stuttgart geht, darf der Piz Mus nicht fehlen. „Schon genial“, schreibt Jens Herzberg, „wie wir mit Skiklamotten im 6er bis Echterdingen und dann mit dem Bus nach Musberg gefahren sind.“ Dort gab es einen Skilift, und Herzberg freut sich noch immer : „Haben wir gelacht, als einige Übermütige nicht mehr rechtzeitig bremsen konnten und unten im Bach gelandet sind.“

Seit 1995 ist der Skilift auf dem Piz Mus stillgelegt

1958, verrät das Zeitungsarchiv, türmte sich der Schnee selbst im Kessel von Stuttgart auf 48 Zentimeter. An 43 Tagen war in den 1950er Jahren die Schneedecke geschlossen. Und heute? Seit 1995 ist der 1965 gebaute Skilift auf dem Piz Mus, auf dem Hauberg von Musberg, stillgelegt.

Rainer Müller erinnert sich an den 2. Februar 1958: „Innerhalb von 24 Stunden fielen im Stadtgebiet 40 bis 55 Zentimeter Schnee. An jenem Freitagmorgen war kein Auto und keine Straßenbahn weit und breit zu sehen. Doch die Stuttgarter wussten sich zu helfen. Auf Skiern kamen sie die Gerokstraße oder die Neue Weinsteige herunter. Die Nichtskifahrer machten sich zu Fuß auf, um im Gänsemarsch auf Trampelpfaden an ihren Arbeitsplatz zu gelangen.“

Im Silberburg-Verlag sind zwei Bücher zu unserer Serie erschienen

Wer den Wintersport in Stuttgart noch weiter zurückverfolgt, gelangt zum Feuersee des 19. Jahrhunderts. Auf dem Foto von 1890 ist die Eisfläche bei der Rotebühlstraße übersät mit schwarzen Punkten. Auf dem zugefrorenen Feuersee trugen die Frauen Kopfbedeckungen und weite Röcke für ihren Wintertraum, den man 1890, zu den Regierungszeiten von König Karl, noch nicht auf dem Schlossplatz angesiedelt hatte, wo heute keiner so genau weiß, was nun wichtiger ist: die Eisbahn oder der Glühweinausschank?

Im Silberburg-Verlag sind zwei Bücher zu unserer Stadtgeschichtsserie „Stuttgart-Album“ erschienen.