Die Tunnelbohrmaschine soll von der rechten in die linke Röhre versetzt werden Foto: dpa

Von insgesamt 59 Kilometer Tunnelstrecke sind beim Bahnprojekt Stuttgart 21 inzwischen 8,8 Kilometer betoniert. An 16 Röhren wird gearbeitet. Doch nur an einer ist eine Maschine im Einsatz. Sie steht vor einer sechsmonatigen Zwangspause.

Stuttgart - Rund neun Monate nach dem Start auf den Fildern steht die 2000 Tonnen schwere Tunnelbohrmaschine der Bahn vor ihrer ersten geplanten Pause. Der Stahlkoloss, der sich fast bis zum neuen Stuttgart-21-Tiefbahnhof in der Stadtmitte durchgraben soll, muss bald aus der im Rohbau fertigen Röhre an den Ausgangspunkt an der A 8 zurückgezogen werden. Dort wird die Maschine um wenige Meter versetzt, damit ab März 2016 die zweite Röhre in Angriff genommen werden kann.

Bis knapp vor Degerloch hat sich die gigantische Bohrmaschine inzwischen vorgearbeitet. Spätestens Mitte Oktober soll das Bohrgerät am vorläufigen Endpunkt unter dem Traifelbergplatz angekommen sein. Die aus Beton-Fertigteilen zusammengesetzte Röhre liegt dort rund 110 Meter unter der Erdoberfläche.

4035 Meter muss die Mannschaft um den österreichischen Bauleiter Robert Pechhacker von der Arbeitsgemeinschaft Atcost 21 bis zum vorläufigen Endpunkt zurücklegen. 15 bis 20 Meter Tunnel sollten die Mineure täglich schaffen, dazu wird rund um die Uhr und auch am Wochenende gearbeitet. In den letzten Wochen sank die tägliche Leistung auf im Schnitt zwölf Meter, in den letzten zwei Wochen auf im Schnitt nur noch 7,95 Meter.

Bahn: Die ersten vier Kilometer sind im Zeitplan

Insgesamt ist die Röhre, die in den Tiefbahnhof mündet, 9468 Meter lang. „Die ersten anderthalb Kilometer liefen schneller als im Terminplan vorgesehen“, sagt ein Sprecher des Stuttgart-21-Projektbüros. Nun könnten wegen der geologisch schwieriger werdenden Bedingungen nicht mehr die ursprünglichen Leistungswerte erreicht werden. Mit den ersten vier Kilometern liege man dennoch im Zeitplan.

Einige Meter der unterirdischen Verbindung zwischen Tiefbahnhof und Fildern werden von der Stadtmitte aus gegraben. Die Bahn hat dazu zunächst einen Bautunnel neben der Wagenburg-Röhre hergestellt. Inzwischen, so der Sprecher, wird im Tal ein sogenanntes Verzweigungsbauwerk betoniert. Verzweigung deshalb, weil hier nicht nur der Fildertunnel, sondern auch Röhren nach Unter- und Obertürkheim entstehen. Zwischen Haußmann- und Gänsheidestraße kreuzen sich diese Tunnel, sie müssen daher übereinander gebaut werden.

Von Frühjahr 2016 an will die Bahn auch unter dem Stuttgarter Osten Strecke machen. Nach rund 600 Metern sei aber mit Anhydrit zu rechnen, jenem Gestein, das im Zusammenspiel mit Wasser sein Volumen derart vergrößert, dass es an der Oberfläche ganze Häuserreihen anheben kann. Weil sich Anhydrit nicht direkt auf der Baustelle zweifelsfrei bestimmen lasse, sollen Proben über Nacht im Labor analysiert werden, hatte die Bahn erklärt.

In drei Monaten steht die Maschine wieder im Tageslicht

Auf den Fildern wird es drei Monate, also bis etwa Mitte Januar 2016, dauern, bis die 86 Meter lange Tunnelbohrmaschine wieder im Tageslicht steht. Ist sie draußen, kann in der Röhre weitergearbeitet werden, allerdings konventionell. Dann werden 1150 Meter Strecke bis unter die Bezirkssportanlage auf der Waldau gesprengt und gebaggert.

Auf diese Weise will die Bahn eine geologische Übergangszone bewältigen, in der mit Wasserzutritt gerechnet werden muss. Die Wandstärke der beiden parallelen Fildertunnel-Röhren steigt daher von bisher 45 auf bis zu 100 Zentimeter. Außerdem sollen in der Übergangszone an den äußeren Tunnelwänden Dichtringe angebracht werden. Sie müssen verhindern, dass Wasser an der Tunnelaußenwand entlang bis ins Tal läuft und dort den Anhydrit erreicht. Das hätte fatale Folgen.

Während die Mineure sprengen und baggern, kann mit der Bohrmaschine ab März die zweite Röhre gegraben werden. Das konventionell gebaute Stück des zweiten Strangs soll fertig sein, bis die Maschine wieder unter dem Traifelbergplatz ankommt. Dann wird sie durch die fertige Röhre gezogen und setzt ihre Arbeit Richtung Innenstadt fort. „Im März 2018 sind wir rechnerisch unten im Tal“, sagt der Projektsprecher. Allerdings nicht ganz, sondern in einer Kaverne, in der die Maschine gedreht werden wird. Rund 3,6 Kilometer muss sie dann noch bergauf graben. Im März 2019 soll sie erneut die A 8 erreichen.