Die Stuttgart-21-Gegner werden jeden Montag von einem großen Polizeiaufgebot begleitet. Mehr als 106 000 Einsatzstunden sind seit 2011 angefallen Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Polizei leistet für die Montagsdemos gegen Stuttgart 21 jährlich so viele Einsatzstunden ab wie für eine Saison bei einem Bundesligaclub. Das geht aus einer Aufstellung des Innenministeriums hervor. Die Projektgegner halten diesen Einsatz für maßlos übertrieben.

Stuttgart - Die ganz großen Menschenmassen lockt der Protest gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 nicht mehr an. Vergangene Woche kamen zur 250. Auflage der Montagsdemonstration nach Polizeiangaben 3700 Menschen zusammen. Gestern Abend sind es in Bad Cannstatt, wohin die Organisatoren wegen des Stuttgarter Weihnachtsmarkts auf dem Marktplatz ausgewichen sind, nur 700 Teilnehmer. Sehr hoch allerdings ist nach wie vor der Aufwand, den die Polizei betreiben muss. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage eines CDU-Abgeordneten hervor.

Darin wird aufgelistet, wie viele Teilnehmer in den vergangenen Jahren montags im Schnitt gekommen sind. Demnach ist die Zahl von 4100 Menschen im Jahr 2010 auf zuletzt etwa 1000 Teilnehmer gesunken. Etwas zurückgegangen ist auch der Personaleinsatz der Polizei – allerdings bei weitem nicht im selben Ausmaß. Erfasst sind die Einsatzstunden seit 2011. Damals waren es 34 000, in diesem Jahr wird eine ähnliche Zahl zusammenkommen wie 2013, als gut 23 000 Stunden gezählt worden sind. Und das trotz des Umzugs vor einiger Zeit auf den Marktplatz, auf dem kein Autoverkehr herrscht.

Die Größenordnung ist beachtlich. Die jährlichen Einsatzstunden für die Montagsdemos entsprechen etwa denen, die für die 17 Heimspiele einer Bundesligasaison des Fußballclubs SC Freiburg benötigt werden. Auch der Karlsruher SC liegt in dieser Größenordnung, der VfB Stuttgart übertrifft sie mit zuletzt gut 32 000 Stunden in der Saison 2013/14 nur leicht.

Das Innenministerium hat berechnet, dass die Einsätze bei den Montagsdemonstrationen seit 2011 insgesamt rund 5,5 Millionen Euro gekostet haben. „Das sind echte Zusatzkosten, die Beamten kommen dafür extra in den Dienst“, sagt ein Ministeriumssprecher. Die Kostenfrage dürfe für die Polizei aber keine Rolle spielen: „Die Leute machen von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch.“ Bei der Stadt Stuttgart sind nach Ministeriumsangaben seit 2009 für die Demos Zusatzkosten von insgesamt 365 000 Euro aufgelaufen.

Angesichts dieser Zahlen fragen sich manche Beteiligte, ob die Einsätze nicht überdimensioniert sind. So sind derzeit bei den Montagsdemos im Schnitt rund 130 Polizeibeamte im Einsatz – auf acht Teilnehmer kommt somit ein Polizist. Bei besonderen Anlässen wie in der vergangenen Woche sind 200 oder mehr Beamte auf der Straße. „Es ist sehr zweifelhaft, was hier alles aufgefahren wird“, sagt Matthias von Herrmann.

Der Sprecher der Parkschützer stellt sich die Frage: „Wo sind all die Beamten überhaupt?“ Es sei höchstens eine halbe Hundertschaft zu sehen, und das seien Bereitschaftspolizisten, die ohnehin im Dienst seien und nichts zusätzlich kosteten. Man habe das Gefühl, die Polizei nehme die Montagsdemos zum Anlass, Woche für Woche mit großer Mannstärke „verschiedene Manöver für die Begleitung von Demos einzuüben“. Manches von dem, was da passiere, sei „völlig überflüssig“.

Das sieht das Stuttgarter Polizeipräsidium anders. „Es kam und kommt immer wieder vor, dass Demonstranten die Fahrbahn blockieren oder davon abgehalten werden müssen“, sagt Sprecher Stefan Keilbach. Nicht alle Beamte seien zu sehen, man halte einige Kräfte für den Bedarfsfall im Hintergrund. Zudem sei bei Demozügen der Aufwand, um den Verkehr zu regeln, groß. „Es geht ja auch darum, die Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten“, so Keilbach. Auch dafür brauche man die Kräfte.

Daran dürfte sich so schnell auch nichts ändern. Für die nächste Zeit sind regelmäßig Demozüge für die Montagsdemos angekündigt. Inklusive intensiver Polizeibegleitung.

Hintergrund

Hintergrund

Die Montagsdemonstrationen gegen Stuttgart 21 sollen eine neue Heimat bekommen. Vom Stuttgarter Marktplatz sollen sie auf den Schlossplatz umziehen. Die erste Kundgebung dort ist für den 12. Januar geplant. „Der Marktplatz hatte seine Berechtigung, aber wir wollen jetzt wieder mehr in die Öffentlichkeit“, sagt Matthias von Herrmann, Sprecher der Parkschützer. Der Schlossplatz habe sich bereits im Sommer als Ausweichquartier während des Festivals der Kulturen bewährt und biete zudem eine direkte Sichtachse zum Hauptbahnhof.

Bei der Stadt Stuttgart reagiert man noch zurückhaltend auf die Ankündigung. Die erste Kundgebung auf dem Schlossplatz sei angemeldet, man wolle jetzt noch Kontakt zum Land aufnehmen, sagt ein Sprecher des Ordnungsamts. Danach soll entschieden werden, ob den Plänen Schwerwiegendes entgegensteht oder nicht.

Bis dahin wechseln die Kundgebungsorte. Am nächsten Montag treffen sich die Projektgegner in der Lautenschlagerstraße und ziehen danach zum neuen Einkaufszentrum Milaneo. Die beiden Montage danach ist Kundgebung auf dem Marktplatz mit anschließendem Demozug. Beginn ist jeweils um 18 Uhr. Eine Weihnachtspause gibt es in diesem Jahr nicht.

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