Die Zeltstadt im Schlossgarten hat besonderen... Foto: Wagner

Die Zeltstadt der Stuttgart-21-Gegner im Schlossgarten wächst. Wann sie geräumt wird, ist offen.

Stuttgart - Die Zeltstadt im Mittleren Schlossgarten wächst: Knapp 80 Zelte sind inzwischen im Park aufgestellt, das Camp reicht bis zur Lusthausruine. Die Bewohner wollen bleiben - egal, was die Volksabstimmung am 27. November ergibt.

Für Stefan Kaufmann ist es wie ein Kulturschock. Der Stuttgarter CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete hat sich am Mittwoch mit Parteifreunden des Kreisverbands ins Zeltlager der Stuttgart-21-Gegner im Schlossgarten gewagt - und ist "erschüttert". Der Befürworter des Tiefbahnhofprojekts zeigt sich betroffen über "das fehlende Unrechtsbewusstsein der Bewohner und die Ausdehnung der Lagerstätten".

Der CDU-Mann und Befürworter des Tiefbahnhofprojekts zeichnet das Bild von offenen Feuerstellen, Stromdiebstahl, wildem Urinieren, von illegalen Bauwerken. "Und niemand verhindert eine weitere Ausdehnung der unhaltbaren Zustände im Park, das ist für die Menschen in dieser Stadt absolut unverständlich", so Kaufmann.

Es ist ein buntes Volk, das den Mittleren Schlossgarten auf gut 350 Meter Länge zu einem Campingplatz umfunktioniert hat. Projektgegner der ersten Stunde, Obdachlose, Punks. Zeitweise campierte hier auch eine reisende Gruppe einer ethnischer Minderheit. Ein gebürtiger Duisburger hat hier sein Stuttgart entdeckt, mit einer "tollen Solidarität" und einer "ungewöhnlichen Kreativität". Er zeigt in die Runde mit den Indianerzelten und bunten Transparenten: "Wir sind doch keine Penner."

So unterschiedlich die Gruppen zusammengesetzt sind, so einig sind sie sich darüber, dass sie im Park bleiben werden - auch wenn sich bei der Volksabstimmung am 27.November eine Mehrheit gegen den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung und damit für das Bahnprojekt Stuttgart21 aussprechen sollte. "Die Volksabstimmung allein reicht nicht, um hier die Zelte abzubauen", sagt beispielsweise Niko Zahn, Gelegenheitsbewohner und Fahrradkurier. An anderen Lagerplätzen ist derselbe Tenor zu hören: "Da spricht die Rebellin in mir", sagt eine Auszubildende.

Bis zur Volksabstimmung sollen zustände geduldet werden

Dabei setzt die Politik doch genau auf diesen 27.November. Bis dahin sollen die Zustände geduldet werden. Ein Patt im Park. Eigentümer des Schlossgartens ist das Land, und das zuständige Finanzministerium sieht "im Moment keinen Handlungsbedarf", sagt Sprecher Simon Veser. Vor der Volksabstimmung werde gerade ohnehin nichts gebaut. "Wir setzen auf Deeskalation", formuliert Veser die Sichtweise des SPD-Finanzministers Nils Schmid. Allerdings sei das keine Erlaubnis zum Zelten. "Selbst der Begriff Duldung ist schon zu viel", sagt Veser.

Die Zeltbewohner haben das anders verstanden - und sprechen von einer Gestattung und sehen sich im Recht. Immerhin sei bis heute das Abholzen der Bäume verhindert worden. "Und die Forderung, dass es im Park keine rechtsfreie Räume geben darf", sagt ein Diplom-Informatiker, "der gilt doch wohl auch für Baustellen." Der Blick geht dabei zu den angefangenen und abgebrochenen Kanalarbeiten für die Grundwasseranlage. Der Verwaltungsgerichtshof hat Arbeiten gestoppt, bis deren Rechtmäßigkeit geprüft ist.

Die Polizei hält sich derweil zurück - und SPD-Innenminister Reinhold Gall findet, dass sich schließlich auch andere einbringen könnten. Dabei blickt er auf die städtische Polizeiverordnung, wonach das Nächtigen oder Zelten in den Anlagen eine Ordnungswidrigkeit ist. Aber von der Stadt ist hierzu nichts zu hören.

Ordnungsbürgermeister Martin Schairer hält auf Nachfrage "nichts davon, den Schwarzen Peter hin und her zu schieben". Man dürfe die Dinge nicht isoliert betrachten, das Problem müsse von Stadt und Land in einer Gesamtsicht gelöst werden. Immerhin könnte man juristisch ja auch feststellen, dass die städtische Polizeiverordnung "ein Gelände schützt, das nachher sowieso aufgerissen wird". Deshalb sei es vernünftig, die Volksabstimmung am 27. November abzuwarten, von der "alle weiteren Vorgänge um Stuttgart 21 abhängen". Mit rechtsfreien Räumen habe das nichts zu tun, betont Schairer. "Wenn es um die Verfolgung von Straftaten geht, dann schreitet die Polizei nach wie vor ein."

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