Mappus hat erkannt, wie brisant die Lage für seine Regierung geworden ist.

Stuttgart - Wann hat es das zuletzt gegeben? Da lädt die Landesregierung wie immer zu ihrer wöchentlichen Pressekonferenz, und was passiert? Wer zu spät kommt, muss stehen. Acht Fernsehteams, Journalisten aus ganz Deutschland, eine Live-Übertragung der Pressekonferenz durch den Nachrichtensender n-tv. Kein Zweifel: Stuttgart 21 ist längst zum nationalen Top-Thema geworden. Kein Tag, ohne dass der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekts nicht irgendwo zu lesen, zu hören oder zu sehen ist. Mal ein Interview im "heute-journal", mal Liveschaltungen in den ARD-"Tagesthemen", am Montagabend gar in der Talkshow von Reinhold Beckmann. Und immer wieder sind die Bilder vom massiven Polizeieinsatz der vergangenen Woche, von blutenden und weinenden Demonstranten, von Wasserwerfern und Pfefferspray zu sehen.

Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat längst erkannt, wie brisant die Lage für ihn und seine Landesregierung geworden ist. "Wir befinden uns an einem Punkt, an dem es nicht mehr so sehr um den Bahnhof geht, sondern darum, die Lage zu befrieden", macht er in der Pressekonferenz klar und betont erneut: "Solche Bilder dürfen sich nicht wiederholen. Sie schaden uns, auch außerhalb von Baden-Württemberg."

Mappus bereit, "alle Fakten auf den Tisch zu legen"

Aber wie sind weitere Konflikte im Vorfeld der Landtagswahl zu vermeiden? Vorerst werden keine weiteren Bäume im Schlossgarten gefällt, auch der Südflügel des Hauptbahnhofs wird bis auf weiteres nicht abgerissen. Ob das reicht, die Lage zu beruhigen? "Nehmen Sie das einfach mal als klares Signal", sagt Mappus. Mehr Details mag der 44-Jährige noch nicht verraten, sondern verweist auf seine Regierungserklärung, die er im Landtag halten will. Da werde er "ein Maßnahmenbündel" vorlegen und Vorschläge machen, "die man nicht ablehnen kann". Ist das also das Signal, auf das die Projektgegner, die bisher ein Gespräch mit Mappus ablehnten, so sehnlichst warten? Längst haben der Regierungschef und seine Berater gespürt, dass sie mit ihrem bisherigen Beharren auf geltenden Beschlüssen nicht mehr weiterkommen. Deeskalation heißt das Zauberwort. "Niemand will, dass Menschen zu Schaden kommen", sagt Mappus. Oder: Er habe großen Respekt vor den Menschen, "die friedlich und in guter Absicht demonstriert haben". Oder: "Es darf nicht mehr so weit kommen, dass man eine Alarmhundertschaft der Polizei für die Absicherung einer Baustelle braucht."

Sätze, aus denen Einsicht spricht, ohne dass dieses Wort fällt. Er sei bereit, "alle Fakten auf den Tisch zu legen". Eine Entschuldigung für den Polizeieinsatz lehnt Mappus aber weiter ab. "Man muss sich entschuldigen, wenn man Fehler begangen hat." Doch die sieht der Regierungschef nicht, auch nicht bei der Polizei. Und so weist er die Frage eines Journalisten kopfschüttelnd zurück, ob der Ministerpräsident womöglich höchstselbst den Marschbefehl für den massiven Polizeieinsatz gegen die Demonstranten vergangenen Donnerstag gegeben habe. Das sei doch "absurd", wettert Mappus: "Alle operativen Entscheidungen sind Sache der Polizeiführung, da hat die Politik nichts zu suchen." Er sei zwar am "späten Mittwochnachmittag" über den geplanten Einsatz informiert worden, habe aber keine Details gekannt.

Ohnehin spielt dieser Faktor für den Ministerpräsidenten kaum noch eine Rolle. Mappus sucht vielmehr immer intensiver nach den Ursachen der massiven Proteste, nach den Gründen für die Anfeindungen, auch gegen seine Person. "Ich habe im Sommer gespürt, dass sich da was zusammenbraut", behauptet er. Allein, der Regierungsapparat blieb stumm, agierte hilflos. Inzwischen ist der Protest gegen die Politik längst über das Projekt Stuttgart 21 hinausgewachsen. "Ich habe mir schon mehrfach den Kopf zermartert, wie die jetzige Situation über Tage, Wochen und Jahre entstehen konnte." Eine Antwort hat Mappus noch nicht.