Dieser Bohrer fräst sich von der A 8 aus in Richtung Stuttgarter Hauptbahnhof Foto: dpa

Die riesige Bohrmaschine, die die Bahn zum Bau des Fildertunnels einsetzt, hat Fahrt aufgenommen. Der Stahlkoloss stand zur Jahreswende lange still. Wegen Einstellarbeiten, sagt die Bahn. Weil Genehmigungen fehlten, sagen jetzt am Bau Beteiligte. Grundstücksbesitzer wehren sich gegen die Röhren.

Stuttgart - Draußen, an der Stuttgart-21-Tunnelbauaustelle neben der A 8, fällt fein gemahlenes Gestein vom Förderband auf die Abraumhalde. Im gleichmäßigen Stakkato werden gerundete Fertigbetonteile in den Tunnel gefahren. Drinnen dreht sich gleichmäßig das mit Meißeln besetzte Schneidrad und raspelt mit einem Durchmesser von zehn Metern alles klein.

2540 Meter hat die auf den Namen Suse getaufte Tunnelbohrmaschine seit der Wiederaufnahme der Arbeiten Ende Januar 2015 zurückgelegt. Zuvor stand sie seit Mitte Dezember nach nur 224 Metern still. Das Stuttgart-21-Sprecherbüro hatte den Zwangsstopp damals mit Einstellarbeiten an der Maschine begründet. Das sei nicht der eigentliche Grund gewesen, sagen jetzt am Bau Beteiligte. Der Stillstand unmittelbar vor dem mit Bürohäusern bebauten Gewerbegebiet Fasanenhof-Ost sei fehlenden Unterfahrungsrechten geschuldet gewesen. Die Bahn habe im Dezember nicht alle Genehmigungen vorlegen können. Die Beteiligten sind vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Damit hätte sich auf den Fildern bei Tunnelbau ein Fauxpas wiederholt, der die Bahn schon im Talkessel zum teuren Zwangsstopp veranlasste. Nach nur 15 Tagen mussten Ende November 2013 die Bagger schweigen, weil die Genehmigung zur Unterquerung des Bürogebäudes der Landeswasserversorgung nicht vorlag. Betroffen war ein Zugangsstollen für den Fildertunnel.

Das S-21-Kommunikationsbüro hat am Montag auf Anfrage der Behauptung, es hätten im Dezember 2014 Genehmigungen für das Gewerbegebiet Fasanenhof-Ost gefehlt, widersprochen. „Die Besitzeinweisungsbeschlüsse lagen rechtzeitig vor“, sagt ein Sprecher. Für fünf Grundstücke, deren Eigentümer sich der Untertunnelung widersetztet hatten, seien die Genehmigungen „antragsgemäß entschieden“ worden. Besitzeinweisung heißt, dass gebaut werden darf. Im Grundbuch darf die so genannte dauerhafte Last erst eingetragen werden, wenn der Eigentümer zustimmt (ähnlich einem Wege- oder Leitungsrecht). Widerspricht er, muss die Eintragung über ein Enteignungsverfahren gesichert werden. Dabei wechselt allerdings im Regelfall nicht der Eigentümer. Er erhält die von der Bahn berechnete Entschädigung. Die Methodik zur Ermittlung der Wertminderung wird von einigen Betroffenen angezweifelt.

Über die Verfahren entscheidet das Regierungspräsidium Stuttgart (RP). Bevor es den Tunnelbau gegen den Willen des Eigentümers zulässt wird ein Gütetermin angesetzt. Fünf isolierte Besitzeinweisungsverfahren seien zwischen Oktober 2014 und Februar 2015 entschieden worden, teilt das RP mit.

Über ein weiteres soll am heutigen Dienstag am Behördensitz in der Ruppmannstraße in Vaihingen nicht öffentlich verhandelt werden. Es geht um 17 und 363 Quadratmeter Feld entlang der B 27 kurz vor der Brückenquerung der Plieninger Straße. Und es geht nicht nur um die Besitzeinweisung, sondern auch gleich um den von der Bahn gestellten Enteignungsantrag. Erst wenn die Entscheidung rechtskräftig verfügt worden sei dürfe gebaut werden, so die Behörde.

Das Grundstück, unter dem später die zweite Röhre des Fildertunnels verlaufen soll, gehörte dem Unternehmer Rolf Deyhle. In der Hochzeit des Musical-Baus hatte sich Deyhle über eine Firma Äcker auf dieser Seite der B 27 gesichert. Er hatte Pläne für dienen Vergnügungspark, die aber nach einer Insolvenz nicht mehr aufgegriffen wurden. Im Mai 2014 schied Deyhle freiwillig aus dem Leben.

Wem das Flurstück mit der Nummer 3786 heute gehöre dürfe sie nicht verraten, sagt eine Sprecherin des RP, aber die Eigentümer seien gegen die Tunnel, womöglich gebe es auch noch Dritte. Die seien nun öffentlich zur Wahrung ihrer Rechte aufgefordert. Die Unterfahrung „findet im Wesentlichen durch die Tunnelachse 801 statt“, sagt ein Projektsprecher. Das ist die zweite Röhre. Mit den aktuellen Arbeiten, die die Grundstücksgrenze tangierten, sei man „tatsächlich bereits ein wenig weiter“.