Hier unter dem Neckar zweigen ab Ende 2021 Züge nach Ober- und Untertürkheim auf die bestehende Bahnstrecke ab Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Bahn hat bei ihrem Projekt Stuttgart 21 zwischen Wangen und Untertürkheim erstmals den Neckar unterquert. Drei weitere Röhren folgen. Mit dem Landesamt für Bergbau streitet der Konzern wegen der geforderten nächtlichen Sprengerlaubnis.

Stuttgart - Oben fließt der Neckar träge dahin, 19 Meter darunter stehen die Tunnelbauer in einer trockenen, im Durchmesser zehn Meter starken Röhre. Sie ist die erste von vieren, sozusagen ein unterirdischer Brückenschlag, der die neue S-21-Infrastruktur an die Bestandsstrecke im Neckartal knüpfen wird. Der spätere Verkehrsweg ist noch ein Provisorium aus mit Spritzbeton gesicherten Stahlmatten, der Rohbau mit dicker Betonschale soll Ende 2019 fertig sein.

Ob sich ein Fluss oder Wohnhäuser in geringem Abstand über der Tunneldecke finden, das ist für die Mineure nebensächlich. Die Sicherheitsmaßnahen seien „in beiden Fällen die gleichen“, sagt Horst Schweiger, der österreichische Bauleiter für die aus vier Firmen bestehen Arbeitsgemeinschaft. Sie schickt ihre Trupps über einen riesigen Schacht an der Ulmer Straße in die Tiefe. Über ihn läuft auch die komplette Abfuhr des gesprengten oder, weil das in der Baugenehmigung so vorgeschrieben wurde, in der Nacht aus dem Berg gemeißelten Gesteins.

An drei von vier Röhren wird gleichzeitig gebaut

„Von den vier Tunnelröhren können wir an maximal drei gleichzeitig bauen, der Flaschenhals ist der Schacht“, sagt der für den Bauabschnitt zuständige Bahn-Abschnittsleiter Günter Osthoff am Freitag beim Ortstermin. Dennoch sei man nach anfänglichem Stocken gut vorangekommen. Weil im Zugangsstollen zu den Tunneln mehr Wasser als erwartete eindrang, veränderte die Bahn die Planung und legte die Tunnel tiefer. Die Genehmigung dauerte. Bisher habe man maximal drei bis vier Liter Wasser pro Sekunde abpumpen müssen, sagt Osthoff, „natürlich Grundwasser, kein Neckarwasser!“, betont er. Die Pumpen würden auch 40 Liter pro Sekunde verkraften, so Schweiger, und natürlich habe man Notfallszenarien ausgearbeitet.

Überraschen lassen wollen sich die Mineure auch unter dem Neckar nicht. Bis zu acht Meter werden vor der Sprengung vorausgebohrt, um die Geologie zu erkunden. Mit jeder Sprengung kommen die Tunnelbauer 1,30 Meter weiter. Insgesamt sind von der Ulmer Straße 265 aus 1925 Meter geschafft worden, und zwar in Richtung Hauptbahnhof und nach Unter- und Obertürkheim. Die beiden vom Hauptbahnhof kommenden je eingleisigen Röhren spalten sich unter der B 10 am Neckar auf.

Nur neun Meter Abstand bis zum Neckar

Der erste Neckartunnel, der am Freitag von den Bezirksvorsteherinnen Beate Dietrich (Wangen, sie ist auch Tunnelpatin) und Dagmar Wenzel (Untertürkheim) besichtigt wurde, sei der einfachste gewesen, sagt Osthoff. Die nach Untertürkheim abzweigende Röhre müsse darüber gelegt werden. Sie wird am First nur noch neun Meter Abstand zur Neckarsohle haben. Die Mineure hoffen auf weiterhin trockene Füße. Die Vorerkundung der Geologie habe sich als treffend erwiesen, man grabe in „solidem, festen Gestein“. Die Setzungen und Hebungen an der Oberfläche liegen laut Osthoff mit 0,1 bis 1,2 Millimeter im Bereich der Nachweisgrenze.

Weil es „massive berechtigte Beschwerden“ von Anwohnern zum nächtlichen Tunnelbau unter der Jägerhalde in Wangen gegeben hat und weiter gibt, hat die Bahn beim Landesamt für Geologie und Bergbau in Freiburg beantragt, auch in der Nacht Sprengungen zuzulassen. Sie wurden in der Baugenehmigung von 22 bis 6 Uhr untersagt. Weil die Baustelle rund um die Uhr läuft, wird Gestein dann mit Meißeln abgeschlagen – der Lärm ist für die Anwohner teils unerträglich, deshalb hat die Bahn Hotelgutscheine angeboten.

Ärger um geforderte nächtliche Sprengerlaubnis

Bereits am 15. Oktober 2015 habe man den Antrag auf nächtliche Sprengungen gestellt, so Osthoff, diese seien weniger belastend, mehr als zwei werde es bis 6 Uhr nicht geben, die dauerten zehn Sekunden. Seit Oktober habe man „weitere Unterlagen und Gutachten an die Behörde geschickt und um Entscheidung gebeten. Leider haben wir bis heute keine, das geht zu Lasten der Bürger und des Baufortschritts, dafür fehlt uns das Verständnis“, so der Abschnittsleiter.

Das Landesamt reagieret am Freitag auf den Vorwurf mit Erstaunen. Zur Entscheidung fehlten Gutachten, die den Nachweis lieferten, dass das nächtliche Sprengen für die Anwohner verträglich sei und es keine Gesundheitsgefahren gebe. Gutachten fehlten. „Der Ball liegt mitnichten bei uns“, so ein Sprecher der Behörde.