Baulärm im Kernerviertel war eigentlich nur in den Ferien angekündigt. Jetzt haben sich die Pläne geändert. Foto: Jürgen Brand

Die Initiative Kernerviertel hat moniert, wegen Stuttgart 21 ab Sommer auch nachts großer Lärmbelastung ausgesetzt zu sein. Der Idee, eine Spur der Willy-Brandt-Straße zu sperren, um tagsüber mehr arbeiten zu können, hat die Stadt eine Absage erteilt.

Stuttgart - Vom Zirpen der Grillen wird man im Kernerviertel in lauen Sommernächten wohl wenig mitbekommen. Denn es kündigt sich dort eine ganz andere Lärmbelastung an: Im Zeitraum von Juni bis August diesen Jahres baut die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) an der Willy-Brandt-Straße die Haltestelle Staatsgalerie um. Dabei ist geplant, auch während der Nacht zu arbeiten. Das könnte verhindert werden, indem eine der drei Fahrbahnen gesperrt wird – meint die Anwohnerinitiative Netzwerk Kernerviertel. Aber die Stadt lehnt diese Variante aus unterschiedlichen Gründen ab.

Ein Aspekt ist die Verkehrssicherheit. „Dass wir dem Vorschlag nicht Folge leisten, ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass wir auf den betroffenen Hauptverkehrsachsen tagsüber nicht mehrere Fahrstreifen zugleich sperren können“, sagt Martin Thronberens, ein Sprecher der Stadt. Eine Sperrung von einer der stark befahrenen Spuren würde zwangsläufig zu einem Verkehrschaos führen.

Lärmintensive Arbeiten tagsüber

Dennoch sichert die Stadt den Anwohnern zu, dass sie versuchen will, die Bauarbeiten in den Nebenverkehrszeiten zu intensivieren, um möglichst schnell fertig zu werden. „Auf diese Weise lassen sich möglicherweise auch die besonders lärmintensiven Arbeiten in den Tagesstunden erledigen“, sagt Thronberens. Ob dies aber gelinge, hänge maßgeblich von den bautechnischen Anforderungen ab.

Auch nach Angaben der SSB sind die Nachtarbeiten recht alternativlos. „Um die kommen wir nicht herum“, sagt Hans-Joachim Knupfer, ein Sprecher der SSB. Wie sich der Lärm zumindest minimieren lasse, dazu liegen ihm aktuell noch keine Erkenntnisse vor. „Das ist noch in der Planungsphase.“

Die Lärmquellen, die den Anwohnern nachts im Kernerviertel den Schlaf rauben könnten, sind Bohrpfähle, die sich ins Erdreich schrauben. Hierfür wird auch eine Behelfsbrücke installiert, damit der Verkehr weiterfließen kann. Die Bauarbeiten an der Willy-Brandt-Straße im Sommer bereiten die nächsten großen S-21-Baustufen in der Schillerstraße und am Gebhard-Müller-Platz vor.

Netzwerk fühlt sich übergangen

Während einer Informationsveranstaltung der Bahn im März hieß es noch, dass die SSB-Bauarbeiten im Kernerviertel ausschließlich in den Sommerferien stattfinden. Jetzt stellt sich heraus: Der Baubeginn, der auch den Nachtlärm mit sich bringt, ist nach Angaben der SSB bereits im Juni. Allerdings wird nicht durchgehend gearbeitet: „Geplant ist eine Woche im Juni sowie eine Woche im August“, sagt der SSB-Sprecher Knupfer. Welche zwei Wochen genau betroffen sind, ist noch nicht bekannt.

Das Netzwerk Kernerviertel fühlt sich übergangen und schlecht informiert. „Die Ämter und die SSB schalten auf stur“, sagt Frank Schweizer, der Vorsitzende des Netzwerks Kernerviertel. „Die wollen den Bau einfach durchziehen.“ Er versteht nicht, warum nach Alternativlösungen überhaupt nicht gesucht wird.

Umwelt- und Technikausschuss kritisiert

Unterstützung bekommt die Anwohnerinitiative dagegen aus dem Bezirksbeirat Mitte. Das beratende Gremium kann die Geschehnisse zwar nicht direkt beeinflussen. Aber es kann ein Signal an die Politik und die Verantwortlichensenden senden.

In der Sitzung des Umwelt- und Technikausschusses am Dienstag war davon nicht viel zu sehen. Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) wehrte sich dort gegen den Vorwurf, die Stadt würde die Lärmproblematik nicht ernst zu nehmen. Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle sieht das anders. Sie stört sich daran, dass in der Sitzung das Wort „Bürger“ nicht einmal gefallen sei. „Wenn die Verwaltung sich so querstellt, dann können wir als Bezirksbeirat vielleicht wirklich nicht mehr viel für die Bürger vor Ort tun.