So könnte nach der Vorstellung der Stuttgart-21-Gegner ein renovierter Kopfbahnhof aussehen Foto: pro-eleven

In der dritten Schlichtungsrunde stellen die Stuttgart-21-Gegner ihr Alternativkonzept vor. 

Stuttgart - Vertauschte Rollen: In der dritten Schlichtungsrunde stellen die Stuttgart-21-Gegner ihr Konzept vor, die Bahn will es verwerfen.

Darüber soll es in den Gesprächen gehen: 

Sanierter Kopfbahnhof mit Reserven

Das Aktionsbündnis der Stuttgart-21-Gegner setzt auf den Ausbau des Kopfbahnhofs und auf neue Gleise im Neckar- und Filstal. Am heutigen Donnerstag will die Initiative ihr Projekt Kopfbahnhof 21 (K 21) präsentieren. Für dieses existieren keine im Detail ausgearbeiteten Pläne. Für das bis zu 2,3 Milliarden Euro teure Vorhaben gibt es keine Finanzierung.

Die Stuttgart-21-Gegner setzen bei K21 auf einen stufenweisen Ausbau der bestehenden Infrastruktur. An erster Stelle steht die Sanierung des heutigen Kopfbahnhofs. Die Bahnsteige könnten dabei eine neue Überdachung aus Glas erhalten. Die alten, inzwischen funktionslosen Gepäckbahnsteige könnten zu Personenbahnsteigen ausgebaut werden.

Die S-21-Gegner wollen nachweisen, dass ein ertüchtigter Kopfbahnhof viel mehr könnte, als ihm heute abverlangt wird - und mehr Reserven als S 21 bietet. Ein Fahrplan aus dem Jahr 1969 soll Zugzahlen darstellen, die heute nicht mehr gefahren werden. Allerdings gab es damals keine S-Bahn. Deren Bau schränkte die Kapazitäten offenbar ein.

Durch neun Kilometer langen Tunnel zur Neubaustrecke

Um die Kapazität zu steigern, sollen bei K21 zwei zusätzliche Gleise unter dem Rosensteinpark und über eine neue Neckarbrücke nach Cannstatt gelegt werden. Damit wären für die S-Bahn, ICE und den Regional- und Nahverkehr je zwei Gleise vorhanden, schnelle und langsame Züge würden "entmischt".

Entlang der bestehenden Strecke würde bis kurz vor die Stadtgrenze bei Mettingen rechts und links der heutigen Gleise je ein weiteres Gleis gelegt. Mit diesem Neubau, sagen die S-21-Gegner, erhielten die Anwohner auch Lärmschutz entlang der Strecke. Das sei wichtig, weil auf dem Bestand wie beim Projekt Stuttgart 21 auch weiterhin Güterzüge fahren.

Sollte die Neubaustrecke durch die Alb nicht gebaut werden, müssten im Neckar- und Filstal weitere Verbesserungen am Bestand erfolgen. Möglich wären aus Sicht der Gegner die Entschärfung von Kurven und ein Tunnel zwischen Kuchen und Amstetten.

Sollte es die Neubaustrecke geben, kann sie bei K21 über einen neun Kilometer langen Tunnel erreicht werden. Die Gäubahn bliebe bei K21 erhalten. Sie stünde dem S-Bahn-Verkehr bei Problemen als Umleitung zur Verfügung.

Neue Brücke nach Bad Cannstatt

Wenn der Kopfbahnhof nach dem Konzept der Stuttgart-21-Gegner erhalten bliebe, müssten zur Steigerung der Kapazität die Zulaufstrecken ausgebaut werden. Bei der eingleisigen Gäubahn wären 1500 Meter neue Gleise nötig, um die Strecke nach Zürich im direkten Zulauf vor dem Bahnhof zweigleisig zu machen. Auch in Richtung Bad Cannstatt müssten zwei zusätzliche Gleise gelegt werden. Sie würden nach der Kopfbahnhof-21-Planung im Tunnel unter dem Rosensteinpark verlaufen. Behauptungen, die Gleise würden in den Park einschneiden, weist das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 zurück. Park und Platanenallee würden nicht angetastet. Parallel zur heutigen Bahnbrücke über den Neckar müsste flussabwärts eine weitere zweigleisige Brücke entstehen.

Die bei Stuttgart 21 geplante Verlegung des Abstellbahnhofs vom Rosensteinpark nach Untertürkheim sieht das Konzept K21 nur als Option vor. Würde dieser Abstellbahnhof verlegt, wären die dann sechs Gleise über den Neckar aus Sicht des Aktionsbündnisses aber ausreichend.

Problemzone vor Mettingen

Bei den alternativen Plänen der Stuttgart-21-Gegner soll die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm über einen neun Kilometer langen Tunnel an den Bestand im Neckartal angeschlossen werden. Der Fluss soll zwischen dem Sportplatz des SV Obertürkheim und dem Daimler-Gelände vor Mettingen überquert werden.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der die Pläne ausgearbeitet hat, erhebe "nicht den Anspruch, die Trasse auf den letzten Meter genau darzustellen", sagt Landesgeschäftsführer Werner Korn. Dies könne erst eine vertiefte Planung leisten. Entlang der Bestandsstrecke seien jedoch durch den Neubau zweier Gleise "keine Wohnhäuser gefährdet".

Beim Konzept Kopfbahnhof 21 sollen bei Bedarf Teile der Stuttgart-21-Planung genutzt werden, zu Beispiel der Abzweig von Süden (Züge aus Singen) über die Roher Kurve zum Flughafen. Am Airport entstünde allerdings kein zweiter Bahnhof für Fernzüge. "Unsere Planung ist flexibel", sagt Korn. Würde die Neubaustrecke Ulm-Wendlingen gebaut, könnte aus Sicht des VCD auch das bei Stuttgart 21 vorgesehene Teilstück Wendlingen-Flughafen nachgerüstet werden.

Neubaustrecke rückt in den Blick

Nicht nur die alternativen Vorschläge der Stuttgart-21-Gegner sollen beim dritten Schlichtungsgespräch im Rathaus (Donnerstag, 4. November, von 10 Uhr an) aufgerufen werden. Es geht auch um die Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm. Die Debatte um Chancen, Kosten und Risiken der 60 Kilometer langen Trasse war vergangene Woche vertagt worden.

Die Bahn kalkuliert den auf eine Höchstgeschwindigkeit von 250 Kilometer pro Stunde ausgelegten Streckenneubau durch die Alb mit 2,9 Milliarden Euro. Die Kostenberechnung wird von den Gegnern stark bezweifelt. Sie sehen die Risiken des Tunnelbaus völlig ungenügend berücksichtigt. Die je eingleisigen Röhren des Albvorland-, Bossler- und Steinbühltunnels addieren sich auf 30,4 Kilometer Strecke oder rund 61 Kilometer Baulänge. Rechnungen des Büros Vieregg-Rössler (München) im Auftrag der Projektgegner sehen Kosten von 5,3 Milliarden Euro als wahrscheinlich an. Sollte die Bahn böse Überraschungen erleben und im verkarsteten Albgestein auf Höhlen oder Wasser treffen, könnten es auch zehn Milliarden Euro werden. Bis auf eine auf 950 Millionen Euro gedeckelte Beteiligung des Landes Baden-Württemberg muss der Bund den Ausbau bezahlten.

Die Steigung der Neubaustrecke ist extrem

Neben den Kosten dürfte die Bauzeit - lassen sich acht Jahre halten? - und die Nutzbarkeit der Strecke im Vordergrund stehen. Die Bahn sieht sie vor allem für den schnellen Personenverkehr vor. Zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit nimmt sie aber auch an, dass täglich und in jede Richtung 40 sogenannte leichte Güterzüge fahren werden. Außerdem würden durch die Verlagerung des schnellen Verkehrs vom Fils- und Neckartal auf die Neubaustrecke dort Kapazitäten für Güterzüge frei.

Bei den leichten Güterzüge wäre die Gesamtlast laut Bahn auf 1000 Tonnen begrenzt. Vieregg-Rössler spricht von 700 Tonnen. Grund für die Begrenzung ist die Tatsache, dass der Scheitelpunkt der Neubaustrecke gegenüber dem alten Albaufstieg (Geislinger Steige) nochmals 160 Meter höher liegt. Die Steigung ist mit 25, in der Spitze 35 Promille extrem. Die Gegner bezweifeln, dass überhaupt Güterzüge auf der neuen Strecke fahren werden. Sie schlagen die Optimierung der Bestandsstrecke vor. Der Güterverkehr solle über die flache Route Aalen- Nördlingen- Donauwörth und Augsburg in Richtung München rollen.