„Das Verdrehen der Fakten scheint inzwischen grenzenlos zu sein“, schimpft Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Landtag. Foto: dpa

Die FDP zeigt Verständnis für die Milliardenforderung der Bahn. Regierungschef Kretschmann (Grüne) sagt allerdings: DIe Mehrkosten sind Sache der Bahn.

Stuttgart - Die Landesregierung will möglichst bald mit der Bahn über die Mehrkosten eines verbesserten Flughafenanschlusses beim Projekt Stuttgart 21 sprechen. Das kündigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Donnerstag in der von der FDP beantragten Landtagsdebatte an. Die „präventive Übernahme von Mehrkosten“ werde er nicht zusagen, sagte der Regierungschef. Man werde „auf belastbaren Unterlagen bestehen“. Die Verzögerung am Flughafen sei zudem nicht dem Land anzulasten, schließlich habe Bahn-Vorstand Volker Kefer das dafür vorgesehene Treffen des Lenkungskreises abgesagt. Die Runde ist das höchste Beschlussgremium zu S 21 und entscheidet über den Geldeinsatz.

Die Bahn hatte der Regierung am Mittwoch ein Ultimatum in Sachen Flughafenanschluss gestellt. Man wolle noch im März Ergebnisse, drängen S-21-Sprecher Wolfgang Dietrich und der Konzernbevollmächtigte Eckart Fricke. Im Oktober 2012 hatte Bahn-Technikvorstand Volker Kefer Mehrkosten von 224 Millionen Euro für die im Filderdialog mit Bürgern gefundene Flughafen-Variante genannt. Das Land hatte daraufhin Nachweise verlangt. Seitdem schwelt zwischen SPD und Grünen im Landtag der Streit um eine Beteiligung.

„Wer bestellt, muss auch bezahlen“

Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann verwies am Mittwoch auf die Prämissen des Filderdialogs: Der S-21-Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro dürfe nicht überschritten werden. Das stehe heute noch so auf der Internetseite stuttgart-21.de. „Wer bestellt, muss auch bezahlen“, fasste Nicole Razavi die Position der CDU zusammen. Die SPD will sich zwar „einer besseren Lösung nicht verschließen“, so Fraktionschef Claus Schmiedel. Am Rande der Sitzung machte er aber deutlich, dass das Land keinesfalls alles zahlen werde. Auch die Bahn müsse sich beteiligen. Man wolle Kefer ein Angebot unterbreiten. Der Vorstand müsse sich dann die Zustimmung vom Bahn-Aufsichtsrat holen. Das Kontrollgremium hatte am Dienstag zwei Milliarden Euro Mehrkosten für die Bahn abgenickt, womit Stuttgart 21 bis 6,5 Milliarden Euro finanziert ist, eine Kostenübernahme für den Filderdialog und die S-21-Schlichtung mit Heiner Geißler von insgesamt 300 Millionen Euro hatte der Aufsichtsrat aber ausdrücklich verweigert. Und bei den zwei Milliarden soll die Landesbeteiligung eingeklagt werden.

Die Klage der Bahn habe Kretschmann mit seiner Weigerung zu zahlen selbst verursacht, griff CDU-Fraktionschef Peter Hauk den Regierungschef an. FDP-Chef Hans-Ulrich Rülke zeigte Verständnis für die Forderung der Bahn. Die müsse aber „den Löwenanteil“ der Kostensteigerung tragen.

Kretschmann gibt Hermann Rückendeckung

Kretschmann warf der Opposition in der dreistündigen Debatte, die von S-21-Projektchef Stefan Penn verfolgt wurde, vor, sich gegen Landesinteressen zu wenden. „Das Verdrehen der Fakten scheint inzwischen grenzenlos zu sein“, sagte Kretschmann in Richtung von Razavi und Hauk. „Mehrkosten, in welcher Höhe auch immer, sind mit der Entscheidung vom Dienstag Angelegenheit der Bahn. Sie wird Stuttgart 21 zu Ende bauen müssen, wie hoch die Kosten auch immer sein werden“, so der Regierungschef. CDU und FDP müssten sich entscheiden, ob sie auf der Seite des Landes und seiner Bürger stünden, „oder auf Seite derer, die Kosten abwälzen wollen“. Die Opposition könne „nicht im Ernst wollen, dass wir 1,2 Milliarden Euro zahlen“. Den Betrag hatte Bahn-Chef Rüdiger Grube errechnet.

Angriffe auf Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), dem Rülke eine „Guerillataktik“ gegen S 21 vorwarf, wies Kretschmann zurück: „Wir sind nicht im Krieg.“ Hermann habe seine volle Rückendeckung. Beim Brandschutz oder Grundwasserschutz könne es keine Rabatte für die Bahn geben.