Beim Stuttgarter Hauptbahnhof wird in der Grube für den neuen Tiefbahnhof gearbeitet. Die Zukunft des Projekts ist nach Bekanntwerden der Mehrkosten ungewisser denn je. Wie es derzeit auf der Baustelle aussieht, erfahren Sie in der Bildergalerie. Foto: Max Kovalenko

Baden-Württemberg sei ein „großer Profiteur“ des Projekts Stuttgart  21, sagt der Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger (CDU). Der 33-jährige Jurist warnt vor einer Hängepartie des Projekts im Aufsichtsrat und wirft den Grünen im Land Blockade vor.

Stuttgart – Baden-Württemberg sei ein „großer Profiteur“ des Projekts Stuttgart  21, sagt der Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger (CDU). Der 33-jährige Jurist warnt vor einer Hängepartie des Projekts im Aufsichtsrat und wirft den Grünen im Land Blockade vor.

Herr Bilger, wird Stuttgart 21 realisiert? Oder scheitert das Projekt?
Ich gehe nach wie vor davon aus, dass Stuttgart 21 realisiert werden wird.

Die ärgsten Kritiker sind zurzeit drei Staatssekretäre der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn. Sie werfen dem Vorstand vor, zu spät über 1,1 Milliarden Euro Mehrkosten und zusätzliche Risiken von 1,2 Milliarden Euro informiert zu haben. Können Sie den Vorwurf nachvollziehen?
Die Staatssekretäre vertreten den Bund, also den Eigentümer der Deutschen Bahn AG, im Aufsichtsrat. Wenn die Staatssekretäre dort kritische Fragen stellen und den Dingen auf den Grund gehen, erfüllen sie damit nur ihre Aufgabe. Das ist auch die Erwartung des Bundestags. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass kritische Fragen nicht gleichzusetzen sind mit einer Abkehr des Bundes von Stuttgart 21.

Die Kritik der Staatssekretäre hat es aber in sich. Unter anderem wird die Frage aufgeworfen, ob der Vorstand nicht haftbar zu machen ist für die Mehrkosten.
Es ist mehr als bedauerlich, dass derartige Fragen aus einem vertraulichen Vermerk durch inakzeptable Indiskretionen an die Öffentlichkeit gelangt sind. Auch darüber wird im Verkehrsausschuss noch zu reden sein. Zu den Fragen selbst: Einen Teil kann ich nachvollziehen, andere nicht.


Wird der Verkehrsausschuss von der Bahn ausreichend informiert über S 21?
Stuttgart 21 ist zwar kein Projekt des Bundes, sondern der Bahn. Trotzdem ist es im Bundestag ein sehr wichtiges Projekt, das neben seinem verkehrlichen Nutzen auch Signalcharakter für das Investitionsklima in Baden-Württemberg und in Deutschland hat. Bahn-Chef Grube und Technik-Vorstand Kefer haben sich nie gescheut, uns im Verkehrsausschuss Rede und Antwort zu stehen. Geärgert hat uns allerdings die jüngste Absage des Aufsichtsratsvorsitzenden Felcht. Der Bundestag vertritt die Bürger, und denen ist ein bundeseigenes Unternehmen stets Rechenschaft schuldig.

Kritiker nennen S 21 inzwischen in einem Atemzug mit dem Fiasko beim Berliner Hauptstadtflughafen. Sehen Sie das auch so?
Ich halte den Vergleich für nicht angemessen. Aber die Pannenserie beim Berliner Flughafen belastet offenkundig die Auseinandersetzung um Stuttgart 21. Es ist nachvollziehbar, dass in Stuttgart niemand vergleichbare Fehler machen will wie in Berlin.

Im Kern des Streits stehen nicht die Mehrkosten von 1,1 Milliarden, sondern die weiteren Risiken von 1,2 Milliarden Euro. Die wollen weder die Bahn noch die Projektpartner Land, Stadt und Region übernehmen. Der Bund sieht jedoch in erster Linie Baden-Württemberg gefordert. Was halten Sie davon?
Baden-Württemberg ist ein großer Profiteur von Stuttgart 21 ist. Leider sieht das grün-rote Landesregierung anders. Zumindest die Grünen in der Regierung arbeiten nach wie vor gegen das Projekt, ungeachtet der Ergebnisse der Volksabstimmung. Sie wollen das Projekt einfach nicht akzeptieren. Bei der politischen Gemengelage ist es meiner Meinung nach naheliegend, dass die Bahn die 1,1 Milliarden Euro Mehrkosten übernimmt. Sollten aber in Zukunft weitere Kosten auftauchen, für deren Zustandekommen das Land verantwortlich ist, ist auch das Land finanziell gefordert.

Könnte es sein, dass S 21 an Kosten scheitert, von denen heute keiner weiß, ob sie morgen oder übermorgen tatsächlich eintreten?
Wie gesagt, ich sehe das so nicht kommen. Es ist aber nicht zu übersehen, dass die heutige Verkehrspolitik mit Großprojekten große Probleme hat. Wenn sich alle einig sind, dass ein Projekt wie Stuttgart 21 realisiert werden soll – Gemeinderat, Regionalversammlung, Landtag und Bundestag mit klaren Mehrheiten –, dann kann es doch nicht sein, dass man drei Jahre nach Baustart abermals die Grundsatzdiskussion führt. Auch wenn das Projekt in schwieriges Fahrwasser gerät. Für die politische Entscheidung von uns Abgeordneten kann es auch nicht der alleinige Maßstab sein, dass Stuttgart 21 für die Bahn wirtschaftlich ist. Wenn es nur darum ginge, ob Infrastrukturprojekte wie Straßen oder Schienenwege am Ende Gewinn abwerfen, wäre so manches sinnvolle Projekt in der Vergangenheit gar nicht realisiert worden. Gleichwohl müssen wir darauf achten, dass die Deutsche Bahn ihre Projekte vernünftig umsetzt, schließlich erwartet der Bund jedes Jahr eine Dividende von 500 Millionen Euro.

Die Landesregierung und die Bahn hoffen auf ein Machtwort der Bundeskanzlerin. Ist die Hoffnung berechtigt?
Es spricht für Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sie bei jedem größeren Problem in Deutschland als Problemlöserin gerufen wird. Ich meine aber, dass jetzt erst einmal all diejenigen gefordert sind, deren täglicher Job Stuttgart 21 ist – also die Parlamentarier auf Bundes-, Landes- und der kommunalen Ebene, die Ministerien und Behörden, die Gremien der Deutsche Bahn AG. Immer nur nach der Kanzlerin zu rufen wenn es klemmt, ist mir zu einfach.

Am 5. März trifft sich der Aufsichtsrat zur S-21-Krisensitzung. Wie geht das Treffen aus?
Falls die Aufsichtsräte am 5. März noch keine Entscheidung treffen, müssen wir das respektieren. Es wäre aber wichtig, dass es rasch Klarheit gibt. Wir brauchen jetzt ein klares Signal, keine Hängepartie. Zumal jede weitere Verzögerung wieder zusätzliche Kosten bedeutet.