Der Bahnhofsturm bleibt erhalten. Foto: Peter-Michael Petsch

Last-Minute-Werbung für S-21 vor Volksabstimmung hat 730.000 statt einer Million Euro gekostet.

Stuttgart - 730.000 Euro hat der Verband Region Stuttgart ausgegeben, um die Volksabstimmung zugunsten der Verwirklichung von Stuttgart 21 zu beeinflussen. Dabei war alles rechtens, sagt die breite Mehrheit der Regionalversammlung.

Bis zu einer Million Euro hatte der Verband nach einem Beschluss des Gremiums auf Antrag von CDU, Freien Wählern und FDP Anfang Oktober zur Verfügung. Schon damals war aber klar, dass der Zeitplan bis zur Volksabstimmung am 27. November äußerst ehrgeizig war. Letztlich konnte der Verband nur knapp drei Viertel des Budgets umsetzen, rund 270 000 bewilligte Euro blieben auf dem Sparbuch liegen.

Nach der jetzt vorliegenden Abrechnung floss der Löwenanteil in Höhe von 211.000 Euro in Anzeigen in Tageszeitungen, Amts- und Wochenblättern. Die Broschüre , die an fast eine Million Privathaushalte des Ballungsraums ging, kostete rund 152.000 Euro für Druck und Verteilung. Deren Gestaltung und das Kommunikationskonzept insgesamt durch die Stuttgarter Werbeagentur Die Crew kommt auf gut 100.000 Euro. Die angekündigte personelle Verstärkung des Kommunikationsbüros von Bahn und Land für Fragen aus der Bevölkerung zur Broschüre ließ sich mit rund 12.000 Euro bewerkstelligen. Nach Angaben des Verbands kamen etwa 200 schriftliche und 50 telefonische Anfragen zusammen.

Verband verzichtete auf bereits fertig ausgearbeitete Rundfunk-Spots

In der Kürze der Zeit fielen aber auch Kosten für zunächst geplante und dann wieder stornierte Bausteine der Kampagne in Höhe von rund 90.000 Euro an. So verzichtete der Verband auf bereits fertig ausgearbeitete Rundfunk-Spots, nachdem die Landesanstalt für Kommunikation diese „unzweifelhaft als unzulässige politische Ideenwerbung“ bewertete. Dies verböten das Landesmediengesetz Baden-Württemberg und der Rundfunkstaatsvertrag. Nach einem Hinweis des Regierungspräsidiums Stuttgart wurden Großplakate und Spots auf der Videowand am Pragsattel hinfällig.

Verbandsdirektor Jürgen Wurmthaler betonte in der jüngsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses, dass man sich noch am Tag des Beschlusses an die Rechtsaufsichtsbehörde gewandt habe, um Rechtssicherheit für die Kampagne zu bekommen. Von dort kam die Ansage, dass die Region als Projektpartner – sie schießt 100 Millionen Euro zu dem Milliardenprojekt dazu – eine Infokampagne zu den Vorteilen machen darf, ohne eine direkte Empfehlung für die Abstimmung zu geben. „Wir sind schon ein bisschen stolz, dass uns das in einem kurzen Zeitraum so gelungen ist, dass es vonseiten des Regierungspräsidiums und der Staatsanwaltschaft nicht beanstandet wurde“, sagte Wurmthaler.

Grüne unterstellten Verband eine gewisse Neutralitätspflicht

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschwerte sich tatsächlich bei der Rechtsaufsicht, weil sie dem Verband eine gewisse Neutralitätspflicht unterstellte. Diese sahen die Grünen spätestens dort verletzt, wo die Broschüre auf die Internetseite www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de verwies. Beim Aufruf strahlte dem Besucher das „Nein“ entgegen. Den Linken war dies sogar eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue wert. Während diese noch anhängig ist, hat das Regierungspräsidium die Beschwerden der Grünen zurückgewiesen.

Irmela Neipp-Gereke rechnete jetzt trotzdem noch einmal mit den Kollegen ab. „Die Kampagne hat sich sehr am Rande der Legalität bewegt“, kritisierte die Regionalrätin der Ökopartei. Sie sah es als „etwas unverhältnismäßig“ an, dass der Juniorpartner das größte Budget aufgefahren habe, und monierte, dass die Chancen bei der Volksabstimmung ungleich verteilt waren. Das sei völlig legitim, konterte der Esslinger Oberbürgermeister und SPD-Sprecher Jürgen Zieger: „Es ist das gute Recht der Regionalversammlung zu sagen: Wir sind für Stuttgart 21. Das im Rahmen einer Kampagne zu tun ist rechtens.“ Sprecher von Freien Wählern, CDU und FDP stimmten ihm zu. Der Liberale Jürgen Hofer etwa meinte: „So etwas muss einseitig sein.“