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Stuttgart 21: Großer Verkehrsvertrag 2003 war angeblich unbeeinflusst durch Bahnprojekt.

Stuttgart - Die Landesregierung hat am Montag auf einer Pressekonferenz den Vorwurf zurückgewiesen, zur Förderung des Großprojekts Stuttgart 21 mit der Bahn 2001 eine fragwürdige Vereinbarung geschlossen zu haben. Der Neubau des Tiefbahnhofs, des Flughafenanschluss und der Strecke bis Wendlingen standen 2001 genauso auf der Kippe wie die Weiterführung der Gleise nach Ulm. Beides war unwirtschaftlich, es fehlten 176 Millionen Euro. Die DB wollte die Planungen stoppen.

2001 stand das Land davor, einen großen, lang laufenden Vertrag für den Nahverkehr abzuschließen. In dieser Phase bot der damalige Verkehrsminister Ulrich Müller (CDU) an, zusätzlichen Nahverkehr, also Zugkilometer, für Stuttgart 21 bei der DB Regio AG vorab zu bestellen. Neben den Kosten für den Zug fällt für jeden Kilometer Gleisnutzung ein Trassenpreis an. Dieses Geld geht an die DB Netz. Diese Bahn-Tochter konnte die Zusatzeinnahmen zur Weiterplanung von Stuttgart 21 und der Strecke nutzen.

Karl Franz, der Sprecher des Verkehrsministeriums, sowie der damalige Referatsleiter für den Nahverkehr, Volkhard Malik, und die heutige Referatsleiterin für Stuttgart 21, Beate Schuler, verteidigen das damalige Vorgehen. "Wir können nicht ansatzweise erkennen, was daran verwerflich sein sollte", sagt Franz. Schließlich seien mit der Ausweitung des Zugangebots die Fahrgastzahlen gestiegen. Die Weiterplanung von Stuttgart 21 sei "ein gewollter Nebeneffekt gewesen", es sei gelungen, "zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen".

Franz verwahrte sich dagegen, dass aus den damaligen Vorgängen heute eine "Enthüllungsgeschichte" gestrickt werde. Das Verfahren sei transparent gewesen. - Tatsächlich gab es Pressemitteilungen und Vorlagen, auch für die Stadt Stuttgart. Sie belebte die Planungen im Schulterschluss mit dem Land durch den Kauf von Grundstücken wieder. Das Land bot überdies die Vorfinanzierung der Strecke Wendlingen-Ulm an. Heute zahlt es an den 2,9 Milliarden Euro Baukosten direkt 950 Millionen Euro.

2002 bestellte das Land zwei Millionen Zugkilometer, verteilt auf ganz Baden-Württemberg. Ein geplanter Zuschusses von 200 Millionen Euro für neue Züge wurde in einen Zuschuss für die Infrastruktur umgewandelt. "Auch dies wurde offen kommuniziert", so Franz.

Welche Rolle spielte Ministerpräsident Mappus?

Die neuen Leistungen wurden durch Regionalisierungsmittel - Geld, das das Land vom Bund für den Schienen-Nahverkehr erhält - bezahlt. "Sie sind nachgefragt worden", sagt Volkhard Malik. "Die Bahn hatte die Planungen für Stuttgart 21 seit 1995 allein gestemmt. Wir haben uns 2001 in keiner Weise verpflichtet", sagt Beate Schuler.

Volkhard Malik verhandelte von 2000 bis Juni 2003 den großen Verkehrsvertrag mit letztlich 50 Millionen bei der DB Regio bestellten Zugkilometern. Heute fährt die DB Region von 65 Millionen noch 39 Millionen Kilometer.

"Dieser Verkehrsvertrag wurde unbeeinflusst von Stuttgart 21 geschlossen", verteidigt Malik die Verhandlungen. 2002 habe sich bei einer vom Land durchgeführten Expertenanhörung mit 30 Vertretern von Bahnen aus ganz Europa herausgestellt, dass keine die 50 Millionen Zugkilometer übernehmen könnte. "Der Wettbewerb war nach der 1996 erteilten Freigabe damals einfach noch nicht so weit", so Malik. Außerdem habe es damals noch keinen Zwang zur europaweiten Ausschreibung gegeben. Man habe, so Malik, damals "nicht festgestellt, dass der Preis an DB Regio überhöht war".

Für die SPD-Opposition im Landtag forderte am Montag Karin Altpeter eine "rückhaltlose Aufklärung" der damaligen Vorgänge. Sollten Fragen offen bleiben, werde man "parlamentarisch aktiv werden".

Den Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann interessiert vor allem die Rolle von Ministerpräsident Stefan Mappus, CDU. Mappus war damals Staatssektretär im Verkehrsministerium. Am Montag waren er und Verkehrsministerin Tanja Gönner in Urlaub.