Eingezäunt: der Blick auf die S-21-Baustelle von oben. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die obersten Finanzkontrolleure des Bundes sehen die Gefahr hoher Folgekosten für den Staat und fordern von der Regierung baubegleitende Kontrollen der S-21-Anlagen.

Berlin/Stuttgart - Die Bau-, Sanierungs- und Kostenrisiken bei den rund 60 Kilometer langen Bahntunneln für Stuttgart 21, vor denen ein vertrauliches KPMG/Basler-Gutachten für den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG warnt, haben den Bundesrechnungshof (BRH) alarmiert. Die obersten Finanzkontrolleure sehen die Gefahr hoher Folgekosten für den Staat und fordern von der Bundesregierung baubegleitende Kontrollen der Anlagen. Befürchtet wird, dass ansonsten der Bund „vorzeitig Ersatzinvestitionen finanzieren muss“, sagte der Sprecher der Kontrollbehörde, Martin Winter, unserer Redaktion.

Bei den S-21-Bahntunneln schätzt der Rechnungshof laut Winter die Risiken von Bodenhebungen wegen Anhydrits als „noch viel problematischer“ ein als bei Straßentunneln wie dem A-81-Engelbergtunnel bei Leonberg, der nach Quelldruckschäden bald umfassend saniert und teilgesperrt werden muss. Die Kontrollbehörde schließt auf konkrete Nachfrage bei den Stuttgart-21-Tunneln eine Gefährdung der Betriebssicherheit, lange Sperrungen zur Sanierung und ein daraus resultierendes Verkehrschaos ausdrücklich nicht aus.

Tiefe Einblicke in das Milliardenprojekt

Der Rechnungshof hat tiefe Einblicke in das umstrittene Projekt S 21. Die Behörde überwacht das Finanzgebaren des Bundes, der die Schienenwege finanziert und durch die bundeseigene Deutsche Bahn AG betreiben lässt. Die Prüfer erwarten, wie berichtet, dass S 21 am Ende fast zehn Milliarden Euro kosten könnte und haben dabei, anders als die Bahn, auch Zins- und Grundstückskosten eingerechnet.

In zwei eigenen Gutachten, über die unsere Zeitung berichtet hat, warnen die Experten vor weiteren Kosten- und Terminrisiken und auch langfristigen Folgekosten wegen der S-21-Tunnelbauten im problematischen Anhydrit-Untergrund Stuttgarts. Das dort häufige Mineral quillt bei Wasserkontakt, der durch Bohrungen entstehen kann, stark auf. Die S-21-Tunnel sollen mehr als 15 Kilometer im Stadtgebiet durch Anhydrit führen. Der Rechnungshof warnt deshalb ausdrücklich, der unausgelaugte Gipskeuper könne bei Kontakt mit Wasser im Volumen „um 60 Prozent zunehmen und die Tunnelwände beschädigen, sollten sie dem beim Quellen entstehenden Druck nicht standhalten“.

Bodenhebungen lassen sich kaum korrigieren

Wegen der festen und exakten Fahrbahn, die Züge benötigen, sind Boden-Anhebungen in Bahntunneln extrem riskant und mit sehr hohen Folgekosten verbunden. Denn die Gleise und technischen Ausrüstungen dulden kaum vertikale Verschiebungen, wie sie Quellungen durch Anhydrit verursachen können. Bodenanhebungen um nur zehn Zentimeter bei Bahntunnel lassen sich daher, so betont BRH-Sprecher Winter, anders als bei der Straße nicht durch einen Keil aus Asphalt korrigieren.

Vielmehr seien schon von vorherein bei Bahntunneln größere Tunnelquerschnitte und Lichtraumprofile nötig und damit „entsprechend teure Reserven“, heißt es beim Rechnungshof. Ob diese Reserven für Schadenfälle bei den S-21-Tunneln ausreichend vorgesehen sind, daran gibt es auch bei KPMG und Basler Zweifel. Die Bahn habe die Tunnelrisiken „unterschätzt“ und plötzliche Quelldruck-Schäden in den bisherigen Kostenrisiken überhaupt nicht einkalkuliert, heißt es in dem KPMG/Basler-Gutachten für den DB-Aufsichtsrat, der am 14. Dezember dazu in Berlin tagt.

Bahn feiert den Barbaratag mit den Mineuren

Die Deutsche Bahn AG steht finanziell stark unter Druck, hat voriges Jahr einen Milliardenverlust eingefahren und soll einen hohen Eigenanteil von bereits mehr als drei Milliarden Euro bei S 21 schultern. Beim BRH wächst daher die Sorge, dass bei S 21 an der falschen Stelle gespart werden könnte. „Die Einhaltung von Kostenrahmen und Budget darf nicht zulasten der Bauqualität gehen“, erklärte der BRH auf Anfrage. Darauf habe man auch bei Projekten wie dem Flughafen und Hauptbahnhof in Berlin und der Kölner Stadtbahn hingewiesen, sagte Winter. „Qualitätseinbußen bei der Bauausführung machen nur wenige Jahre nach der Inbetriebnahme eines Projekts umfangreiche Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten erforderlich“, warnt der BRH-Sprecher.

Derweil hat die Bahn am Sonntag mit den Mineuren einer alten Bergmannstraditionen folgend den Namenstag der Heiligen Barbara gefeiert. Manfred Leger, der Chef der DB Projekt Stuttgart–Ulm GmbH, bilanzierte anlässlich des Festtags: „Seit dem Barbaratag 2015 haben wir über 20 Kilometer Tunnel vorgetrieben. Diese Spitzenleistung verdanken wir der Arbeit der Ingenieure und Mineure im Projekt.“