Der 34-jährige Polizist soll am sogenannten schwarzen Donnerstag, also am 30. September 2010, Stunden vor dem Einsatz der Polizeiwasserwerfer einen Mann im Schlossgarten mit dem Schlagstock verletzt haben. Foto: dpa

Aus der gefährlichen wird eine fahrlässige Körperverletzung, aus acht Monaten auf Bewährung wird eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 Euro. So gesehen hat es sich für den Polizeihauptmeister gelohnt, das erste Urteil des Amtsgerichts wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt in der Berufung anzufechten.

Stuttgart - Aus der gefährlichen wird eine fahrlässige Körperverletzung, aus acht Monaten auf Bewährung wird eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 Euro. So gesehen hat es sich für den Polizeihauptmeister gelohnt, das erste Urteil des Amtsgerichts wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt in der Berufung anzufechten. Doch sein Verteidiger hat auf Freispruch plädiert und wird mit seinem Mandanten wohl vors Oberlandesgericht ziehen.

Der Vorwurf: Der 34-jährige Polizist soll am sogenannten schwarzen Donnerstag, also am 30. September 2010, Stunden vor dem Einsatz der Polizeiwasserwerfer einen Mann im Schlossgarten mit dem Schlagstock verletzt haben. Der Geschädigte ist ein 50-jähriger Rechtsanwalt, der nach eigener Aussage nicht zu den vielen Demonstranten gehört hat. „Ich bin gegen Stuttgart 21, aber ich kam an diesem Tag vom Gericht und wollte nicht an der Demo teilnehmen“, sagt der Jurist. Er trug, wie auf mehreren Videos zu sehen ist, Anzug und Aktenkoffer. „Ich habe dem Angeklagten nichts getan, weswegen er mich hätte schlagen müssen“, so der Anwalt weiter.

Der Polizeihauptmeister sieht das anders. „Sie sind seitlich in mich hineingerannt, als wir abgesperrt haben.“ Das sei ein rechtswidriger Angriff gewesen, er habe mit dem Schlagstock lediglich den Sicherheitsabstand wieder herstellen wollen, so der Beamte. Tatsächlich sieht man auf Videos, wie der Polizist den 50-Jährigen mit dem Schlagstock erst abdrängt, ihm dann einmal auf den Arm schlägt.

„Ich hätte mit dem Schlagstock genau gleich reagiert wie der Kollege“

Mehrere Zeugenaussagen von Polizisten machen deutlich, wie es zu den folgenreichen Vorfällen an dem Tag gekommen ist, der als schwarzer Donnerstag in die Stadtgeschichte eingegangen ist. Eigentlich sei der Einsatz im Schlossgarten zur Sicherung der anstehenden Baumfällaktion für 15 Uhr angesetzt gewesen. Doch durch eine undichte Stelle bei der Polizei sei dies durchgesickert. Also habe man den Beginn der Aktion auf 10 Uhr vorverlegt, so ein Kriminalkommissar im Zeugenstand.

Dann ist so ziemlich alles schiefgelaufen, was schieflaufen konnte. Die Einheiten aus Böblingen und Göppingen seien erst um 10.10 Uhr losgefahren, die angeforderten Kollegen aus Bayern hätten „Stuttgart nicht gefunden“, so Kripo-Mann. Um 10.25 Uhr hätten die Parkschützer Alarm geschlagen. „Kurze Zeit später waren mehr als 1000 Leute im Schlossgarten“, sagt der Zeuge. Und mittendrin der Angeklagte mit seiner Truppe.

„Da war Chaos. Ich dachte schon, dass das schiefgeht“, sagt ein Polizei-Zugführer. Er sagt aber auch: „Ich hätte mit dem Schlagstock genau gleich reagiert wie der Kollege.“ Ein junger Polizist bekennt: „Das war mein erster großer Einsatz. Ich gebe offen zu, dass ich Schiss hatte.“

Vorsitzender Richter Jörg Kindermann und seine Kollegen sehen in der ersten Abwehraktion des Angeklagten kein Problem. Das sei nicht zu kritisieren. Und vielleicht habe sich der Geschädigte beim Vorbeilaufen auch ungeschickt verhalten. Der Schlag mit dem Stock sei jedoch fahrlässig gewesen. „Wir sind überzeugt, dass der Geschädigte keinen Angriff auf Sie vorhatte.“

Die Polizei müsse den Kopf hinhalten für die Entscheidungen anderer, die nachher nicht an vorderster Front stünden, so Kindermann weiter. Das Scheitern des Einsatzes habe sicher nicht an den Beamten im Schlossgarten gelegen. Und hätten sich die Demonstranten normal und anständig benommen, wäre es insgesamt nicht soweit gekommen, sagt Kindermann. „Wir haben eine gute Polizei. Und es macht keinen Spaß, einen pflichtbewussten und engagierten Polizeibeamten zu verurteilen“, so der Vorsitzende.