August 2010: Das SEK beendet die Besetzung auf dem Nordflügel-Dach. Foto: dpa

Fünf junge Aktivisten, die 2010 beim Abriss des Hauptbahnhof-Nordflügels das Dach besetzt hatten, sollen zwischen 300 und 1500 Euro zahlen. Dafür stellte ein Amtsrichter am Montag das Verfahren gegen die Beschuldigten ein.

Stuttgart - Es war fünf Wochen vor dem Schwarzen Donnerstag, dem außer Kontrolle geratenen Polizeieinsatz im Schlossgarten: Den 25. August 2010 nannte man den Tag X – es war der Tag, an dem fürs Bahnprojekt Stuttgart 21 der Abriss des Nordflügels begann. Damals besetzten sieben junge Aktivisten das Dach des Nordflügels, stoppten damit die Baggerarbeiten für einen Tag. Am Montag, gut 28 Monate später, kam ihr Fall vors Amtsgericht.

Amtsrichter Menge stellte das Verfahren gegen fünf Beschuldigte nach Paragraf 153 a Strafprozessordnung ein – keine Verurteilung, aber auch kein Freispruch. Vielmehr sind für die Beschuldigten damit Geldauflagen verbunden. Sie müssen Summen zwischen 300 und 1500 Euro zahlen. Für die Parkschützer ist der Richterspruch dennoch so etwas wie ein Sieg: „Die Zerstörung des denkmalgeschützten Nordflügels ist verurteilenswert, nicht aber der Protest dagegen“, heißt es in einer Erklärung, „vielleicht ist diese Erkenntnis inzwischen auch bei der Justiz angekommen.“

Dass der Fall erst nach so langer Zeit vor das Amtsgericht kam, hat nach Angaben von Gerichtssprecherin Monika Rudolph damit zu tun, dass ursprünglich alle sieben Beschuldigten zusammen verhandelt werden sollten. Dies habe aber wegen diverser Auslandsaufenthalte der Beschuldigten letztlich nicht funktioniert. Deshalb habe man das Verfahren nun doch abtrennen müssen. Somit steht die Verhandlung gegen zwei weitere Beschuldigte noch aus.

„Das hat nichts mit demokratischem Protest zu tun“

Die Aktion hatte die Abrissarbeiten für einen Tag aufgehalten. Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei beendete nach 22 Stunden die Besetzung. „Das hat nichts mit demokratischem Protest zu tun“, kommentierte der damalige CDU-Innenminister Heribert Rech den Widerstand.

Ob die Vorgänge um die Nordflügelbesetzungen 2010 damit juristisch abgehandelt sind, ist offen. Bei der Staatsanwaltschaft war am Montag keine Auskunft darüber zu erhalten. Angesichts Hunderter Verfahren im Zusammenhang mit Stuttgart 21 ist bei den Strafverfolgern in der Neckarstraße der Überblick verloren gegangen.

Im Zusammenhang mit der Besetzung des Nordflügels am 26. Juli 2010 haben die Richter inzwischen die unterschiedlichsten Urteile gesprochen – von Freisprüchen über Geldstrafen bis hin zu Haftstrafen auf Bewährung. Die Besetzung im Juli 2010 galt als neue Eskalationsstufe der Proteste gegen das Bahnprojekt, unter den Beschuldigten war auch SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch. Ein 47-Jähriger, der einen Beamten angegriffen hatte, wurde zu einer Bewährungsstrafe von viereinhalb Monaten verurteilt. Der Prozess gegen ihn fand übrigens genau am Tag X, dem 25. August 2010, statt, als die Bagger anrückten und die sieben Aktivisten das Dach des Nordflügels besetzten.