Schon zur 200. Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 hat es Vorwürfe gegen die Politik des Ordnungsamts gegeben Foto: Peter Petsch

Die Stadt Stuttgart hat vor dem Mannheimer Verwaltungsgerichtshof eine empfindliche Schlappe erlitten: Die Gegner des Projekts Stuttgart 21 dürfen am Montag direkt vor dem Hauptbahnhof ihre 250. Montagsdemo abhalten. Das Gericht äußert dabei Sicherheitsbedenken für die Lautenschlagerstraße.

Stuttgart - Viele Autofahrer werden stöhnen, Gegner von Stuttgart 21 dagegen atmen auf: Die 250. montägliche Demonstration gegen das Bahnprojekt darf am nächsten Montag auf dem Arnulf-Klett-Platz und in der Schillerstraße, direkt vor dem Hauptbahnhof, beginnen. Die Stadt hatte versucht, die Veranstaltung in die Lautenschlagerstraße zu verlegen, ist damit aber vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht gescheitert. Sie hat daraufhin Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eingelegt. Doch auch die Mannheimer Richter erteilten der Stadt am Freitag eine Abfuhr.

Die Begründung lässt keine Fragen offen. Die 250. Montagsdemonstration, fünf Jahre nach der Erstauflage, habe „eine wesentlich höhere Bedeutung“ als die sonstigen Montagsdemonstrationen, heißt es im Urteil. Es sei mit deutlich mehr Teilnehmern und einem großen öffentlichen Interesse zu rechnen. Deswegen habe die Auswahl des Versammlungsorts eine besondere Bedeutung für die Ausübung der Versammlungsfreiheit. Sie überwiege in diesem speziellen Fall andere Interessen, etwa die von Verkehrsteilnehmern. Sicherheitsrisiken für die Allgemeinheit durch die blockierten Straßen sieht das Gericht nicht. Die Entscheidung gilt ausdrücklich nur für die Jubiläumsveranstaltung am 8. Dezember.

Das Gericht zielt in seiner Begründung allerdings nicht nur auf die besondere Bedeutung des nächsten Montags ab. Es bezeichnet auch den von der Stadt festgelegten Alternativort in der Lautenschlagerstraße als ungeeignet. Nach Berechnungen des Ordnungsamt können sich dort bis zu 3192 Menschen, bei Benutzung der Gehwege knapp 4000 Menschen sicher versammeln. Die Veranstalter der Montagsdemo bezweifeln das einerseits und haben andererseits ohnehin 5000 Teilnehmer angemeldet.

Das Gericht folgt dieser Sicht uneingeschränkt. Wörtlich heißt es in der Urteilsbegründung: „Ob nach den örtlichen Verhältnissen bei Einbeziehung der Gehwege die Sicherheit der Versammlungsteilnehmer, das Vorhandensein ausreichender Rettungswege und die Wahrnehmung aller im Zusammenhang mit dem Aufzug und dessen Umfeld wahrzunehmenden Polizeiaufgaben hinreichend gewährleistet sind, erscheint erheblich zweifelhaft.“

Was das generell für die Zukunft von Demonstrationen in Stuttgart bedeutet, ist offen. Die Lautenschlagerstraße ist Startpunkt für viele Demonstrationszüge. Allerdings weisen die meisten weniger als 3000 Teilnehmer auf. Im Ordnungsreferat geht man „aus heutiger Sicht nicht davon aus“, dass das Urteil Konsequenzen für künftige Kundgebungen hat. Ansonsten kommentiert man dort den Gerichtsbeschluss nur knapp: „Wir akzeptieren die Entscheidung, finden es aber schade, dass man unseren Argumenten nicht gefolgt ist“, sagt Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Die Stadt hatte ihre Entscheidung mit den zu erwartenden Verkehrsbehinderungen begründet.

Die Reaktionen bei den Projektgegnern fallen naturgemäß ganz anders aus. Rechtsanwalt Roland Kugler, der die Organisatoren vor Gericht vertreten hat, kritisiert die Stadt mit scharfen Worten: „Man kann nicht 5000 Menschen auf einen Platz quetschen, auf den nur 3000 passen.“ Es sei bedauerlich, dass es erst zweier gerichtlicher Entscheidungen bedürfe, „um in Stuttgart das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit durchzusetzen“. Ähnlich äußert sich auch Matthias von Herrmann, Sprecher der aktiven Parkschützer: „Wir begrüßen die Entscheidung. Es ist aber traurig, dass es einer solchen gerichtlichen Auseinandersetzung bedarf, obwohl die Mängel und Probleme in der Lautenschlagerstraße doch seit langem bekannt sind.“

Egal, wie viele Teilnehmer nun tatsächlich kommen: Sie werden sich jedenfalls am Montag um 18 Uhr direkt vor dem Hauptbahnhof versammeln. Bei der 250. Auflage der Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 sprechen unter anderem Regisseur Volker Lösch, Schauspieler Walter Sittler und der ehemalige Stuttgarter Bahnhofsvorsteher Egon Hopfenzitz. Die Moderation an symbolischem Ort übernimmt Stadtrat Hannes Rockenbauch.