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Winfried Hermann stellt Verantwortung für S21 in Frage, falls es gebaut wird - SPD befremdet.

Stuttgart/Berlin - Der designierte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) will seine Zuständigkeit in der Landesregierung für Stuttgart21 - falls das Projekt gegen seinen Willen realisiert wird - nicht unbedingt behalten. Der Vorstoß sorgt für Irritation in den Reihen der neuen Koalition.

"Falls Winfried Hermann dazu steht, müsste er - sofern Stuttgart21 gebaut wird - meines Erachtens zurücktreten", heißt es am Mittwochabend aus Kreisen der künftigen grün-roten Landesregierung.

Stein des Anstoßes ist eine Äußerung des designierten Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne) vom selben Tag. Gegenüber der Berliner Tageszeitung "taz" hatte Hermann gesagt - so zitiert ihn das Blatt laut Nachrichtenagentur wörtlich: "Ich würde in diesem Fall Verkehrsminister bleiben. Aber ich würde meine Zuständigkeit für das Projekt an ein anderes Ministerium abgeben, das von der SPD geführt wird." Sein Ministerium, so Hermann laut "taz" weiter, wäre "sicher nicht das ideale Haus, um Stuttgart21 positiv zu begleiten - das müssten dann andere machen."

Beim Koalitionspartner SPD lösten die Aussagen einen Tag vor der Konstituierung der neuen Regierung Befremden aus. Auf Nachfrage unserer Zeitung sagte Nils Schmid am , dass es bei den Verhandlungen mit den Grünen über den Koalitionvertrag und die Verteilung der Ressorts keine Nebenabsprachen zu Hermann im Bezug auf S21 gegeben habe. "Davon ist uns nichts bekannt", sagte der designierten Finanz- und Wirtschaftsminister. Als Vize des designierten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) erinnerte Schmid allerdings daran, dass Stuttgart 21 auf alle Fälle "in der Gesamtverantwortung der neuen Landesregierung" liege. Sprich: Egal, ob gebaut wird oder nicht - kein Koalitionspartner kann sich seiner Aufgabe entziehen.

Hermann versuchte am Mittwochabend die Wogen zu glätten. "Wenn die Volksabstimmung zugunsten des Projekts ausfällt - womit ich nicht rechne - muss ich persönlich den Bahnhof nicht bauen", sagte er gegenüber unserer Zeitung. "Vielmehr wird der Ministerpräsident zusammen mit dem Koalitionspartner zu entscheiden haben, wer das Projekt im Namen der Landesregierung begleiten wird - ob sie es mir und meinem Haus oder jemandem anders zutrauen, das Projekt kritisch zu begleiten." Im übrigen seien weder Land noch Verkehrsminister Bauherr, sondern allein die Deutsche Bahn. "In meinem Ministerium gibt es keine Bahnhofs-Bauabteilung", so Hermann.

Der 58-jährige Hermann war bisher Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags. Er gilt als einer der schärfsten Kritiker des Milliardenprojekts Stuttgart21. Bis zuletzt hatte es bei den Koalitionsverhandlungen einen harten Wettstreit darum gegeben, wer das für das Projekt zuständige Ministerium führen soll. Nach Informationen unserer Zeitung standen bei der SPD - die das Projekt im Gegensatz zu den Grünen befürwortet - sowohl der bisherige Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel als auch der frühere S-21-Projektsprecher Wolfgang Drexler prinzipiell für die Aufgabe als Verkehrsminister bereit. Schmiedel bleibt nun Fraktionschef; Drexler ist am Mittwoch als stellvertretender Landtagspräsident wiedergewählt worden.

In dem "taz"-Interview äußert sich Hermann auch zu den Aussichten der Volksabstimmung über die finanzielle Beteiligung des Landes an S21. Sie soll laut Koalitionsvertrag im Oktober zum Schlusspunkt der Auseinandersetzung um das umstrittene Infrastrukturprojekt werden: "Ich gehe davon aus, dass das Volk weise genug ist, eine derartige Verschwendung von Steuergeldern abzulehnen", so Hermann. Die Grünen würden vor der Abstimmung auch die Vorzüge der "halb so teuren" Modernisierung des alten Kopfbahnhofs informieren.

Dem Online-Magazin "stern.de" sagte Hermann am Mittwoch, er sei "guter Dinge, dass Stuttgart21 nicht gebaut wird". Er lehne das Projekt nicht aus ideologischen Gründen ab - es tauge verkehrlich einfach nicht, so Hermann: "Wir werden sehen, ob Stuttgart21 gebaut wird. Der Buhmann werde ich nur dann sein, wenn ich alles falsch mache, also Mist baue. Dann würde ich auch mich selbst in Frage stellen."