Baustelle 1 unserer Bestandsaufnahme: Die alte Bahn-Direktion. Foto: Leif Piechowski

Pannen und Verzögerungen behindern Bahnhofsbau – Grundwassermanagement ist wunder Punkt.

Stuttgart - Gebäudeabrisse, Probebohrungen und Vogelschutz: Schleichend und doch spürbar wandelt sich das Stadtbild rund um den Stuttgarter Hauptbahnhof für das umstrittene Infrastruktur-Projekt Stuttgart 21. Doch Probleme verzögern die Arbeiten. Eine Bestandsaufnahme.

Wer sich derzeit im Umfeld des Hauptbahnhofs bewegt, dem bietet sich vielerorts ein Bild der Zerstörung: Durch die offene Flanke am Nordeingang können Passanten die ein- und ausrollenden Züge beobachten, auf der Südseite des Gebäude sieht es nicht anders aus.

Nur einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt weichen die hinteren Gebäudeteile der ehemaligen Bundesbahn-Direktion einer Baugrube. Ein nistendes Turmfalkenpaar hat die dortigen Arbeiten jedoch in Verzug gebracht. Der Landespavillon im Mittleren Schlossgarten, einst beliebte Kleinkunstbühne, fristet ein trauriges Dasein und harrt seines Abrisses. Doch das sind Eindrücke des Übergangs: Unbeeindruckt von unterschiedlichsten Hemmnissen setzt die Bahn ihre Pläne schrittweise in die Tat um. Ein Überblick.

Im Mittleren Schlossgarten

Der Landespavillon mit seinem markanten Zeltdach wird im Lauf des Sommers abgerissen, ein genauer Zeitpunkt steht noch nicht fest. Dort entsteht die Baugrube für die Tunnelführung in Richtung Fildern. Derzeit werden noch Probebohrungen vorgenommen, um zu prüfen, ob sich der Boden verformt. Auch im nordöstlichen Bereich des Baufeldes im Schlossgarten bahnen sich Bohr- und Rammpfähle ihren Weg in den Untergrund, bis zu 23 Meter tief. Dabei spielt auch das Grundwasser eine wichtige Rolle.

Neben dem Südflügel steht ein graues Gebäude mit blauen Tanks, es ist das Gebäude des Grundwassermanagements. Es ist derzeit der wunde Punkt des Projekts. Denn wie am Dienstag bekannt geworden ist, steht der Bahn ein großes Genehmigungsverfahren ins Haus, in dem es um die Frage geht, ob statt der geplanten drei Millionen bis zu 6,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser abgepumpt werden dürfen. Während die Bahn erklärt, man könne den Zeitplan halten, rechnen die S 21-Gegner mit gravierenden Verzögerungen.

Die alte Bahn-Direktion

Ein Abrissbagger nagt derzeit noch am Westflügel des Gebäudes an der Jägerstraße. Türen ragen ins Nichts, von einem Großteil ist nur noch ein großer Haufen Schutt übrig. Doch reibungslos verlief das Vorhaben nicht, denn zwischenzeitlich mussten die Arbeiten unterbrochen werden: Kurz nachdem der Abbruch des Westflügels im April begonnen hatte, wurden zwei Turmfalkenpärchen auf dem angrenzenden Dach gesichtet. „Wir haben darauf Vogelkundler als ökologische Baubegleitung hinzugezogen“, sagt ein Sprecher des Kommunikationsbüros für Stuttgart 21. Die Prognose: ein bis zwei Monate Brutzeit. Darauf wurde der Abriss des Nebenflügels vorgezogen.

Mittlerweile hat ein Vogelpärchen Nachwuchs bekommen, auch das zweite müsste bald weiterziehen. „Wir arbeiten so weiter, dass die Turmfalken nicht gestört werden“, so der Sprecher. Die Bahn rechnet damit, dass die Abrissarbeiten am Nord- und Ostflügel bis Mitte Oktober abgeschlossen sein werden, einen Monat später als geplant. Die Vorderfront mit ihrer denkmalgeschützten Fassade bleibt erhalten. Im Dezember soll auf dem Gelände die Baugrube für die Tunnelzuführung nach Feuerbach und Bad Cannstatt entstehen.

Rund ums Bahnhofsgebäude

Vor dem Nordeingang, der nach dem Abriss des Nordflügels im letzten Jahr ostwärts verschoben wurde, entsteht das Technikgebäude. Zur Sicherung der Baugrube werden Bohrträger in den Untergrund gebracht.

Derweil ist auch der Südflügel des Bonatzbaus bis auf einen kleinen Teil des Erdgeschosses abgetragen, ein großer Bagger hilft den Arbeitern dabei, die letzten Bodenplatten zu entfernen. Bei den Arbeiten gab es jedoch mehr Zwischenfälle, als der Bahn lieb sein konnte. Im März brach eine Dachspitze an Gleis 16 ab – drei Wochen Zwangspause. Im April wurde eine Frau von einem herabfallenden Betonbrocken verletzt, weil noch Schutzmatten an einem Kran fehlten, die Autos und Passanten schützen sollten.

Obwohl die Arbeiten nach augenscheinlich fast beendet sind, sollen sie noch bis Ende Juli andauern. „Die Aufräumarbeiten sind extrem aufwendig“, erklärt der S 21-Sprecher. Zudem werde in den nächsten Wochen der nun offenstehende Bahnhofsturm geschlossen. Ursprünglich war die Bahn von einem Abriss bis nach Ostern ausgegangen.

Nach den Sommerferien soll damit begonnen werden, den neuen Querbahnsteig im Bahnhof einzurichten. Über ihn können die Reisenden während des Aushubs der Baugrube die Züge erreichen. Die Baugrube liegt auf dem jetzigen Gleisfeld direkt hinter dem Hauptgebäude. Dort soll der neute Tiefbahnhof entstehen. Der Aushub der Grube geschehe jedoch „dieses Jahr wohl nicht mehr“, vermutet der S 21-Sprecher. Und erst dann werden auch die Stege eingerichtet, über die der Querbahnsteig aus dem Schlossgarten erreichbar sein soll.