Wasserwerfer im Schlossgarten vor fünf Jahren: Ministerpräsident Kretschmann will sich für den Einsatz entschuldigen. Foto: dpa

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann hat sechs S-21-Gegner eingeladen, die bei der Räumung des Schlossgartens vor fünf Jahren verletzt worden waren. Kretschmann will sich für den Polizeieinsatz entschuldigen.

Stuttgart - Edmund Haferbeck ist überrascht, positiv überrascht. „Es ist schon enorm, was da passiert“, sagt der Gegner des Projekts Stuttgart 21. Haferbeck, der bei der Räumung des Schlossgartens am 30. September 2010 verletzt worden war, hält ein Schreiben von Ministerpräsident Winfried Kretschmann in der Hand. Darin wird er für den 17. Dezember in die Villa Reitzenstein zu einem „persönlichen Gespräch“ mit dem Chef der Landesregierung eingeladen.

So wie auch weitere fünf S-21-Aktivisten, die ebenfalls am sogenannten Schwarzen Donnerstag verletzt worden waren und die vor dem Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart geklagt hatten. Das Urteil, das die 5. Kammer am 18. November verkündete: Der massive Polizeieinsatz zur Vorbereitung und Sicherung der Baumfällungen sei rechtswidrig gewesen.

Bundesweit für Entsetzen gesorgt

Der „harte Polizeieinsatz“ habe bundesweit für Aufmerksamkeit und Entsetzen gesorgt und bei Betroffenen und Verletzten tiefe Spuren und physische sowie psychische Wunden hinterlassen, ist in dem persönlich gehaltenen Brief aus dem Staatsministerium zu lesen.

Der Schwarze Donnerstag habe die Stadt, die Republik und den Umgang der Politik mit der Zivilgesellschaft nachhaltig verändert, so Ministerpräsident Kretschmann in dem Schreiben. Das Verwaltungsgericht habe für rechtliche Klarheit gesorgt. Mögliche Zweifel an der Funktionsfähigkeit unserer Demokratie und unseres Rechtsstaats und seiner „Selbstreinigung“ würden mit dem Urteil ausgeräumt. So ähnlich, nur unkomplizierter, hatte es der durch den Strahl eines Wasserwerfers fast erblindete Rentner Dietrich Wagner nach dem Urteil ausgedrückt: „Ein guter Tag für die Demokratie.“

Mindestens ebenso wichtig wie diese Feststellungen ist für die sechs Kläger und die anderen Betroffenen des Schwarzen Donnerstag die Ankündigung Kretschmanns, er wolle sich für den aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz entschuldigen. „Es ist mir ein großes und ernsthaftes Anliegen, Ihnen in einem persönlichen Gespräch das tiefe Bedauern der Landesregierung über den rechtswidrigen Polizeieinsatz sowie die dadurch verursachten Folgen und Verletzungen persönlich zum Ausdruck zu bringen“, schreibt der Ministerpräsident.

Keine Rechtsmittel gegen Urteil

Damit entschuldigt er sich für eine Polizei, die damals nicht die seine war. Zur Zeit der Räumung des Schlossgartens für die noch gar nicht genehmigten Baumfällungen hieß der Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU).

Mit dieser Einladung dürfte auch klar sein, dass das Land nicht gegen das Urteil des VG Stuttgart vorgehen wird. Jetzt stehen noch die außergerichtlichen Verhandlungen der Kläger und des Landes über Schmerzensgeld aus. Am 30. September 2010 war die Polizei im Schlossgarten auf mehrere Tausend S-21-Gegner getroffen. Wasserwerfer und Pfefferspray wurden eingesetzt. Weit mehr als 140 Personen wurden verletzt.