Hilfen des Landes für den Bau des Tiefbahnhofs beschäftigen die EU Foto: Peter Petsch

Das Koppelgeschäft des Landes bei der Bestellung von exklusiven Nahverkehrsleistungen bei der Deutschen Bahn aus dem Jahr 2002 gerät erneut ins Blickfeld der EU-Kommission. Das Land hatte damals einen zehnjährigen Verkehrsvertrag geschlossen. Damit sollte die Weiterplanung des Projekts Stuttgart 21 gesichert werden.

Stuttgart - Das Koppelgeschäft des Landes bei der Bestellung von exklusiven Nahverkehrsleistungen bei der Deutschen Bahn aus dem Jahr 2002 gerät erneut ins Blickfeld der EU-Kommission. Das Land hatte damals einen zehnjährigen Verkehrsvertrag geschlossen. Damit sollte die Weiterplanung des Projekts Stuttgart 21 gesichert werden.

Aus Sicht von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat sein Vorgänger Ulrich Müller (CDU) vor mehr als zehn Jahren einen Vertrag zum Nachteil des Landes geschlossen. Rund 140 Millionen Euro, vielleicht auch mehr, will Hermann einbehalten, weil der Bahn im Vertrag eine doppelte Dynamisierung der Nahverkehrskosten zugestanden worden sei.

Matthias Lieb, Wirtschaftsinformatiker und Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), setzt eine weit höhere Schadenssumme an: Um eine Milliarde Euro sei das Land geprellt worden, weil die damalige Regierung Stuttgart 21 durchboxen wollte. Mitglieder des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 haben vergangene Woche „Konsequenzen aus der illegalen Projektfinanzierung“ gefordert und Strafanzeige gegen die Kurzzeit-Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) gestellt. Sie habe noch 2010 und 2011 die überhöhten Zahlungen angewiesen.

Die S-21-Gegner nennen den damals geschlossenen und jetzt auslaufenden Nahverkehrsvertrag „skandalös“. Die erstaunte Öffentlichkeit erfahre erst jetzt davon. Die Gegner fordern einen Untersuchungsausschuss des Landtags und – Stichwort unzulässige Beihilfe – eine Überprüfung durch die EU. Die wolle ihr bereits 2010 eingeleitetes Beihilfeverfahren wiederaufnehmen, berichtete am Sonntag „Der Spiegel“.

Dem Koppelgeschäft auf die Spur zu kommen dürfte für die Wettbewerbshüter nicht allzu schwierig werden, schließlich war der Vorgang öffentlich. Am 22. Februar 2002 hatte unsere Zeitung darüber berichtet, dass das Landeskabinett um den damalige Regierungschef Erwin Teufel (CDU) weitgehende Zusagen machen wolle, um „die Wirtschaftlichkeit von Stuttgart 21“ wieder ins Lot zu bringen.

Am 6. März 2000 hatte Fritz Kuhn, damals Fraktionschef der Grünen im Landtag, heute OB in Stuttgart, Müller in einem Antrag nach dem „Koppelungsgeschäft mit dem Projekt Stuttgart 21“ gefragt. Der Nahverkehrsvertrag werde „dem Land Mehrkosten von mindestens (umgerechnet) 250 Millionen Euro bis zum Jahr 2010 bescheren“. Man werde nur abschließen, wenn „das Angebot wirtschaftlich ist“, stieg Müller auf Kuhns Vorhaltungen nicht ein. Ein effizienter Schienenpersonennahverkehr könne „nur von der Deutschen Bahn erbracht werden“, belehrte der Minister. Ein Jahr später war die Mauschelei dann keine mehr, weil offiziell bestätigt. Land, Bahn und andere schlossen die „Vereinbarung zur weiteren Zusammenarbeit zur Realisierung der Projekte Stuttgart 21 und NBS Wendling–Ulm“. Punkt 1.1 für das Land: Der Verkehrsvertrag, der „den erschwerten Betriebsbedingungen während der Bauzeit Rechnung tragen“ solle. Gebaut wurde aber gar nicht.

In Punkt 1.2 wurden zusätzliche Verkehre (2,62 Millionen Kilometer), in Punkt 1.3 umgerechnet 100 Millionen Euro vom Land an die Bahn für neue Züge versprochen. Durch die Vereinbarung könne „das Planungspersonal für Stuttgart 21 verstärkt“ werden, teilten Müller und der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn erfreut mit. Bis 2004 werde die Bahn zudem „eine grundsolide Planung für das Milliardenprojekt vorlegen“. Zumindest das letzte Versprechen wurde nicht eingelöst.