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Der Schlossgarten ist geräumt - mit Umsicht und Besonnenheit, sagt Wolfgang Molitor.

Stuttgart - Jetzt loben sie sich. Die Politik die Polizei und die Polizei die Parkschützer. Der grüne Ministerpräsident ist „sehr, sehr froh“, dass die sorgenvoll erwartete Räumung des Mittleren Schlossgartens weitgehend konfliktfrei verlaufen ist. Der Oberbürgermeister stattet den Stuttgart-21-Gegnern seinen „ausdrücklichen Dank“ ab, weil sie mehrheitlich friedlich demonstriert und sich von gesetzeswidrigen Aktionen distanziert haben. Der Polizeipräsident gibt zu Protokoll, die Beamten seien bei den Gegnern auf große Traurigkeit gestoßen und hätten ihnen deshalb „Zeit der Trauer eingeräumt“. Und der SPD-Superminister lobt sich selbst, weil er immer darauf gesetzt habe, dass „die Volksabstimmung befriedend wirkt“. Schließlich darf er die Idee, das Volk über das umstrittene und kühn geplante Bahnprojekt entscheiden zu lassen, für sich reklamieren.

Die Gewahrsam-Container auf dem Cannstatter Wasen blieben leer. Umsichtig und besonnen. Der Realisierung des Projekts steht nun nichts mehr im Wege. Kein Südflügel, keine Bäume und keine Eilverfahren. Es sei denn, die Bahn steht sich demnächst selbst im Weg. Wer weiß das schon?

Doch bei aller Erleichterung, dass die Räumung durch eine kluge, deeskalierende Polizeistrategie und den letztlich nur noch symbolischen Rest-Protest der Gegner zu einem friedlichen Ende geführt werden konnte: Es gibt Dinge, die nicht einfach unter den Harmonieteppich gekehrt werden sollten. 2400 Polizisten aus acht Bundesländern mussten nach Stuttgart beordert werden, um die Räumung zu schützen und durchzusetzen. Sie mussten eine gut ein Meter hohe Barrikade aus Holzpaletten und Müll durchbrechen, um ins Protestcamp vorzudringen, auf einer Strecke von 800 Metern Gitter aufstellen und Menschen mit dem Kran von den Bäumen holen. Mehr als elf Stunden hat der Großeinsatz gedauert, damit in den nächsten drei Tagen 108 Bäume gefällt, weitere 68 verpflanzt werden können. In den nächsten Tagen muss die Polizei die Baustelle im Schichtdienst bewachen. Bei aller Freude: Auch das gehört dazu.

Die Bürgerbeteiligung sei mit dem Einsatz endgültig ad acta gelegt worden, behaupten die Parkschützer. Sie reiben sich an ihrem früheren Hoffnungsträger, aus dem ein kluger Landesvater geworden ist. Sie werden montags weiter demonstrieren – ein engagiertes, enttäuschtes Protest-Relikt, über das die Volksabstimmung und die Zeit hinweggegangen sind. Sie haben etwas getan, was auch zur Bürgerpflicht gehört: sich zu empören, sich einzumischen, sich nicht übergehen zu lassen. Für viele wurden sie damit zum Vorbild. Es wäre schade, wenn sie nun den Blick auf die Realität aus den Augen verlieren, ihre kraftvollen Proteste in Selbstmitleid enden würden.

Das war’s. Die Mehrheit für S 21 steht. Der Schlossgarten ist geräumt – und spätestens nach dem Ende der Bauarbeiten wieder das, was er sein soll: unser Park.