Im neuen Bahnhof müssen Reisende an sechs Stellen mit Stau rechnen. Foto: StN-Grafik: Lange/ Quelle: DB Netze

Gutachten zu Personen-Strömen – Bahn ändert Pläne für Tiefbahnhof – Stadt kritisiert Treppe auf Dach

Stuttgart - Dreimal stand das Thema Stuttgart 21 auf der Tagesordnung des Technikausschusses des Gemeinderates. Kritik aus den Reihen der 16 Stadträte am Verfahren – die Grünen und Gangolf Stocker von SÖS/Linke drängten auf Vertagung, weil Pläne zum Ärger auch anderer Fraktionen erst in der Sitzung gezeigt wurden – ließ Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) nicht gelten. Bis Monatsende müsse die Stadt Stellung beziehen. Die Stadt habe „selbst Schwierigkeiten, die Pläne zu erklären“, hielt Peter Pätzold (Grüne) dagegen.

Bei ihrem Tiefbahnhof will die Bahn die vier großen Zugänge am Turm, in Richtung Staatsgalerie und Kiesinger-Platz sowie zum neuen Stadtteil in Höhe und Breite reduzieren. Das hatten Stadtverwaltung und Gemeinderat vor Jahren gewünscht. „Die Bahn reagiert und vermeidet den Missgriff der zu großen Gitterschalen“, kommentierte Hahn die Änderung. Die architektonischen Gesten seien „sparsamer, kostengünstiger und städtebaulich besser geworden“, sagte Stadtplaner Uwe Stuckenbrock, der neue Haupteingang am Turm werde nur noch halb so groß. Was das in Metern und Zentimetern heißt, ist unklar. Entscheidende Maße sucht man in den Plänen vergeblich. Am Turm sind es angeblich drei Meter weniger Höhe. Diese Änderungen fanden dennoch Zustimmung.

Komplett entfallen soll ein Versorgungstunnel unter dem Tiefbahnhof. Die Stadt will daher wissen „wie die Ver- und Entsorgung der Bahnsteige erfolgt und welche Folgen das für die Umgebung haben wird“. Die Bahn ordnet Treppenläufe, die von den drei Verteilerstegen über den acht Gleisen auf die Bahnsteige führen, teils neu an. Bei Steg A, nahe zum Nordausgang und S-Bahn-Abgang, plant die Bahn jetzt auf jeder Seite eine Treppe, so dass dort der Abstand zwischen Treppen und Bahnsteigkante von 2,05 auf 2,86 Meter wächst. Aufzüge werden im Durchmesser um 30 Zentimeter vergrößert. Völlig neu wäre eine schlangenförmige Treppe, die den heutigen Hauptbahnhof auf dessen gesamter Länge mit fünf Stufen zum neuen Straßburger Platz, dem Bahnhofsdach, abgrenzt. Das mache „überhaupt keinen Sinn, die Leute säßen dann ja unterhalb des Platzes“, fasste Roswitha Blind (SPD) die Ablehnung des wohl 75 Zentimeter hohen Absatzes zusammen. Kritisch sehen Räte und Verwaltung die Größe der Pflanztröge, die Bäumen auf dem Bahnhofsdach das Überleben sichern sollen. Mindestens zwölf Quadratmeter müssten die Pflanztröge messen, fordert die Stadt mehr Lebensraum.

Stadt fordert neue Simulationen für den Brandfall, die Lärmbelastung bei laufenden Turbinen und eine mit Wasser gefüllte Löschleitung im Tunnel

Änderungen plant die Bahn auch bei den nach Feuerbach führenden Tunneln. Hier soll in Absprache mit der Stadt die beim Brandfall nötige Rauchabsaugung vom Killesberg weg in die Nähe der Bahn-Pragtunnel verlegt werden. Dort endet ein Fluchttunnel mit zwei Stockwerken. In einem hängt die Absauganlage, die ansonsten direkt vor der Seniorenwohnanlage Augustinum stehen würde. Die Stadt fordert neue Simulationen für den Brandfall, die Lärmbelastung bei laufenden Turbinen und eine mit Wasser gefüllte Löschleitung im Tunnel.

Erstmals vorgelegt hat die Bahn am Dienstag Ergebnisse einer Personenstromanalyse für den Tiefbahnhof. Stuttgart-21-Gegner behaupten, der sei nur für 32 statt der im S-21-Stresstest gefahrenen 49 Züge ausgelegt. „Wir wollen Aufklärungsarbeit leisten“ sagte Sven Hantel, Leiter von DB Station und Service im Südwesten, dazu.

Zugzahl und die per Gutachten geprüfte Reisenden-Dichte in der Spitzenstunde auf den Bahnsteigen hätten nichts miteinander zu tun. Die Bahn nimmt laut Landeschef Eckart Fricke an, dass sich auf den Bahnsteigen künftig 135.000 statt 110.000 Menschen täglich begegnen. „Steigerung um 23 Prozent“, schreibt Fricke. Bei nur noch acht statt 16 Bahnsteigkanten läge die Steigerung pro Kante allerdings bei 145 Prozent. In der morgendlichen Spitzenstunde wären es 58.000 Reisende, sagt Hantel. Das Gutachten weise nach, dass jeder Bahnsteig in zwei bis spätestens vier Minuten wieder frei sei, selbst wenn zwei 400 Meter lange Züge ihre Fahrgäste komplett wechselten. Qualitativ werde der Wert C, („Verkehrsdichte erreicht spürbares Maß, freie Geschwindigkeitswahl eingeschränkt“) erreicht, an sechs Treppen auch D („Dichte hoch, kurze Stauungen“). „Wir wollen hohen Bewegungskomfort für Reisende, unsere Prämisse ist C“, sagte Hantel, auch D sei akzeptabel, der neue Bahnhof durch Aufzüge komplett barrierefrei und er habe beim Umstieg deutlich kürzere Wege als im alten Kopfbahnhof.

Während CDU, SPD, Freie Wähler und FDP die Analyse unter Protest von der Zuhörertribüne begrüßten, fanden Jochen Stopper und Peter Pätzold für die Grünen Mängel. „Sie haben immer noch Stufe D, also mangelhafte Stellen“, so Pätzold. die Bahn habe Stuttgart 21 „schon öfter als besten Bahnhof der Welt präsentiert“, so Stopper. „Hinterher“, so der Stadtrat, „war es dann etwas anders.“