Foto: StN-Grafik: Lange

Bis zu 600 Lkw-Fahrten täglich während Tunnelbau - Bahn sichert Prüfung einer Alternative zu.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn hat am Montagabend Auswirkungen der Megabaustelle Stuttgart21 auf den Stadtbezirk Wangen darstellen wollen. Für das Problem Lkw-Verkehr haben die Bürger der Bahn eine bisher nicht erkannte Lösung skizziert. Trotzdem bleiben viele Fragen offen.

Eine kleine Nebenstraße im Gewerbegebiet zwischen dem Großmarkt in Wangen und dem Kraftwerk in Gaisburg wird zum Hoffnungsschimmer für die lärmgeplagten Bürger im Neckartal: Über den neu angelegte Langwiesenweg könnte die Mehrzahl der rund 600 Lkw von der Stuttgart-21-Baustelle in Wangen auf die Bundesstraße B10 auffahren, ohne dabei Wohnhäusern nahe zu kommen.

"Warum nutzen Sie nicht diese Verbindung", fragt CDU-Bezirksbeirat Marijan Laszlo die Vertreter der Deutschen Bahn auf dem Podium bei der Informationsveranstaltung am Montagabend im Wangener Gemeindesaal der evangelischen Kirche. Rund 100 Bürger sind gekommen, der Saal ist bis auf den letzten Stuhl belegt.

"Wenn es diese Straße neu gibt, dann müssen wir das prüfen", antwortet die städtische Bürgerbeauftragte Alice Kaiser. Falls zudem die Stadt Erfolg dabei hat, ein Grundstück direkt neben dem Baufeld zu erwerben, könnte auch die Straße Viehwasen von Lkw genutzt werden. Damit würde die bereits mit bis zu 15500 Kraftfahrzeugen am Tag belastete Ulmer Straße, die bisher bis zum Gaskessel zur An- und Abfuhr aller Lkw vorgesehen ist, spürbar entlastet.

Wangen liegt weit weg vom Hauptbahnhof, und wenn Stuttgart21 eines Tages realisiert sein sollte, würde man in Wangen nichts davon bemerken. Doch in der rund sieben Jahre langen Bauzeit trägt der Stadtbezirk eine nicht kleine Last: An der Ulmer Straße, wo der alte Ortskern beginnt, wird die Bahn einen sogenannten Zwischenangriff starten für zwei 5,7 Kilometer lange, eingleisigen Tunnel, die den künftigen S-21-Tiefbahnhof in der City mit dem neuen Abstellbahnhof in Untertürkheim verbinden.

Anfang 2012 mit dem Tunnelbau starten

Für den Zwischenangriff wird auf einem derzeitigen Parkplatz ein 37 Meter tiefer Schacht von 22 Metern Durchmesser graben, um von dort aus Teile der Tunnel zum Hauptbahnhof sowie die in acht bis 25 Tiefe unter dem Neckar verlaufenden Röhren zum Abstellbahnhof zu graben. Der Aushub wird über eine senkrecht Förderanlage aus dem Schacht gehievt, oben zwischengelagert und schließlich mit Lastwagen über die B10 und die Filderauffahrt Zollberg zur Autobahn A8 abgefahren. Nach Abschluss des Tunnelbaus wird der Schacht verfüllt.

"Wir wollen im Sommer die Bauarbeiten vergeben, im Spätherbst die Baustelle einrichten und Anfang 2012 mit dem Tunnelbau starten", sagt Eckart Fricke, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Baden-Württemberg. Laut Planfeststellungsbeschluss werden die Tunnel bergmännisch, mit Baggern und Spritzbeton gebaut. Ob alternativ eine Tunnelbohrmaschine in Frage kommt, wollte Fricke wegen dem "stehenden Verfahren" - dem Bau- und Vergabestopp der Bahn bis zur Konstituierung der neuen Landesregierung - nicht sagen.

Erläuterungen von Bahn-Ingenieur Ronald Heil und Fricke legen aber die Vermutung nahe, dass die Tunnel konventionell gebaut werden, womit der Zwischenangriff und bis zu 600 Lkw-Fahrten zwischen 7 und 20 Uhr in der jahrelangen Hauptbauzeit unumgänglich sind. "Die Zahl lässt sich nicht wegdiskutieren", sagt Kaiser.

Neben der Sorge wegen der Lkw-Fahrten sprechen die Bürger am Montagabend noch viele weitere Probleme an, die sie umtreiben. Es geht um die befürchtete Wertminderung der Grundstücke, unter denen künftig ein Bahntunnel verläuft, um Schäden an Häusern, um den Lärm der Baustelle und um den Schleichverkehr durch den Ortskern. Die Bahn will sich den Fragen stellen, sowie sie akut werden, sichert Fricke zu. "Machen Sie Beschwerden, wir können Sie dazu nur ermuntern", sagt er.

Ein Bürger sorgt sich um das Stuttgarter Mineralwasser, das von Esslingen abwärts strömend durch die Tunnel unter dem Neckar beeinträchtigt wird. "Das könnte unser Fukushima für das Mineralwasser sein", warnt er. "Wir ignorieren hier nichts; wir wissen um diese Besonderheit der Mineralquellen Bescheid", beteuert Fricke. Die Tunnel würden nur so gebaut, wie es die Experten auf Grundlage eines in Arbeit befindlichen Grundwassermodells empfehlen.