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Nach der Kostenexplosion des Projekts Stuttgart 21 gehen die Bauarbeiten für den Tiefbahnhof weiter. Im Januar 2013 will die Bahn einen neuen Ablaufplan vorstellen. Derweil stellen die Stuttgarter Grünen für Bahn-Vorstand und Aufsichtsrat die Haftungsfrage.


Berührt der Streit um die Übernahme von Kostenrisiken durch das Land den Bau des Tiefbahnhofs?
„Die Bauarbeiten laufen wie geplant weiter“, sagte eine Sprecherin des Stuttgart-21-Kommunikationbüros. Die Pläne würden sich allerdings ändern, weil die Bahn nach wie vor auf Genehmigungen wartet. Zum Beispiel für den Fildertunnel (Einsatz einer Bohrmaschine) oder für das Abpumpen der doppelten Menge an Grundwasser im Schlossgarten. Man werde dennoch bauen können, so die Sprecherin, aber „mit einem veränderten Terminplan“. 2013 solle jedenfalls der Bau des Betontrogs für den achtgleisigen Durchgangsbahnhof starten.

Muss mit weiteren Verzögerungen bei den Bauarbeiten gerechnet werden?
Die Bahn selbst rechnet jedenfalls damit. Der Zeitplan, der die Inbetriebnahme Ende 2020 vorsieht, ist kritisch, weil dem Verkehrsunternehmen viele Genehmigungen fehlen. Das liegt an vielen Umplanungen, mit denen auf neue Erkenntnisse, zum Beispiel beim Grundwasser, reagiert wird. Aber es geht auch um Verbesserungen wie den schnelleren Bau mit einer Bohrmaschine, die letztlich zu einem schnelleren Bau und damit zu Einsparungen führen sollen. Die Bahn beklagt, dass ihre Änderungsanträge wegen Personalmangels vom Eisenbahn-Bundesamt nur schleppend bearbeitet werden können.

Wann fallen die Bäume im Rosensteinpark?
Die Stuttgart-21-Gegner warnen Finanzminister Nils Schmid (SPD) eindringlich davor, Baumfällarbeiten im Rosensteinpark zu genehmigen. Er solle den dazu nötigen Gestattungsvertrag nicht unterschreiben. Den Vertrag aber gibt es noch gar nicht, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Das Papier müsse von der Bahn vorgelegt werden, sei aber noch nicht eingegangen. Sobald die Bahn alle nötigen Genehmigungen, auch zum Artenschutz, vorlegen kann, müsste Schmid unterschreiben. Zum Artenschutz hat der Bund für Umwelt und Naturschutz allerdings Einwände geäußert. Die von der Bahn vor Jahren vorgelegten Gutachten seien inzwischen veraltet.

Wann wird die Kostenfrage für das Projekt geklärt?
Stuttgart 21 soll sich laut Gutachten von bisher finanzierten maximal 4,5 Milliarden auf bis zu 6,8 Milliarden Euro verteuern können. Bahn-Chef Rüdiger Grube und Technikvorstand Volker Kefer haben am Mittwoch vor dem Aufsichtsrat zahlreiche Fehler des Unternehmens eingeräumt. Die Bahn solle daher selbst 1,1 Milliarden Euro mehr zahlen. Den Rest soll das Land beisteuern. Die grün-rote Regierungskoalition sagt, sie sei nicht zuständig. Allenfalls für Verbesserungen am Flughafenbahnhof könne man über einen Zuschuss sprechen, argumentiert die SPD. Am 21. Januar wollen sich alle Beteiligten zu einem Kostengespräch treffen.

Droht ein langwieriger Gerichtsstreit um die Mehrkosten?
Eindeutig ja. Die Regierungskoalition im Land hat mehrfach erklärt, nicht mehr als die vertraglich vereinbarten 930 Millionen Euro für den Durchgangsbahnhof und 60 Kilometer Strecke zahlen zu wollen. Bahn wie Land haben inzwischen Juristen bemüht, die eine Sprechklausel im Finanzierungsvertrag in Bezug auf eine weitere Zahlungspflicht des Landes höchst unterschiedlich deuten. Weil der Bahn-Aufsichtsrat eine schnelle Lösung des Kostenproblems erwartet, geraten Grube und Kefer unter Druck.

Was bedeutet die Volksabstimmung in dieser neuen Lage?
Bei der Volksabstimmung („Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten“) hat sich vor einem Jahr sowohl im Land als auch in der Stadt die Mehrheit dagegen ausgesprochen, dass das Land seine Mitfinanzierung bei Stuttgart 21 aufkündigt. Grundlage war die Beteiligung mit maximal 930 Millionen Euro. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagt, das Land werde sich an diese Abstimmung halten – und eben auch nicht mehr zahlen. Der Rechtswissenschaftler Joachim Wieland dagegen sieht in der Abstimmung keine verbindliche Wirkung mehr für die Regierung, weil sich deren Grundlage mit der Überschreitung des Kostendeckels von 4,5 Milliarden Euro verändert habe.

Kann die Bahn einfach noch mehr Geld für Stuttgart 21 geben?
Auch wenn sie 1,1 Milliarden Euro zuschießt, ist die Investition für die Bahn noch wirtschaftlich. Die Rendite sinkt auf weniger als zwei Prozent, sagt ein Mitglied des Aufsichtsrats. Würde die Bahn das weitere Risiko von 1,2 Milliarden Euro absichern, wäre die Investition betriebswirtschaftlich negativ. „Sollten die Aufsichtsräte mutwillig an dem unwirtschaftlichen Projekt festhalten, ohne mögliche Ausstiegsszenarien ernsthaft geprüft zu haben, laufen sie Gefahr, sich einer Untreue strafbar zu machen“, sagt der Stuttgarter Grünen-Kreisvorsitzende Philipp Franke. Das sei „als Warnung zu sehen“, so Franke, Strafanzeige wolle man nicht stellen.

Was sagt der Bundesrechnungshof?
Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) regt eine externe Prüfung der Projektkalkulation durch den Rechnungshof an – und rät der Bahn außerdem, Stuttgart 21 grundsätzlich zu überdenken. Der Rechnungshof wolle „die Entwicklung im Auge behalten“, sagt Sprecher Martin Winter. Man werde sich „bei Bedarf“ befassen.