Der Stuttgarter Grünen-Stadtrat sagt, die Stadt müsse sich wenn nötig an den Mehrkosten des Projekts Stuttgart 21 beteiligen Foto: Grüne

Die Grünen im Stuttgarter Gemeinderat würden sich bei einem Bürgerentscheid zu den Mehrkosten des Bahnprojekts Stuttgart 21 für eine städtische Mitzahlung aussprechen.

Stuttgart - Die Grünen im Stuttgarter Gemeinderat würden sich bei einem Bürgerentscheid zu den Mehrkosten des Bahnprojekts Stuttgart 21 für eine städtische Mitzahlung aussprechen. „Wenn es 2019 zu einem Entscheid kommen sollte, kann ich nur rumlaufen und sagen ‚Stimmt zu‘, sonst gibt es ein Desaster“, sagte Grünen-Stadtrat Jochen Stopper am Mittwoch im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats. Er beschrieb damit ein Szenario, das die Projektgegner als Erpressbarkeit wegen einer drohenden Dauerbaustelle beschreiben.

Grund für Stoppers Aussage war der Streit um die Zulässigkeit des nun dritten Bürgerbegehrens der S-21-Gegner. Sie wollen den Finanzierungsvertrag über die 4,5 Milliarden Euro (291,8 Millionen zahlt die Stadt) per Bürgerentscheid wegen der „grundlegend neuen Sachlage“ komplett stornieren. Die Sachlage: Stuttgart 21 wird laut Bahn bis zu 6,5 Milliarden Euro kosten.

Bereits das Begehren sei unzulässig, stellt der von der Stadt mit der Prüfung beauftragte Anwalt Professor Christian Kirchberg (Karlsruhe) fest. OB Fritz Kuhn (Grüne) schloss sich am Mittwoch im Verwaltungsausschuss der Meinung an: Das Begehren verfolge „ein rechtswidriges Ziel“. Kuhn weiter: „Der Vertrag konnte bis Ende 2009 gekündigt werden, bei einer späteren Kostenüberschreitung gilt die Sprechklausel.“

Die Klausel zwingt die Vertragspartner Bahn und Land zu Gesprächen. Die hat es zu absoluten Summen noch nicht gegeben. Das Kabinett hat bereits erklärt, keinen Cent mehr geben zu wollen. Bahn-Chef Rüdiger Grube muss damit den Auftrag des Bahn-Aufsichtsrates umsetzen und das Land verklagen. 2019, schätzt Stopper, könnte es so weit sein. Für den Fall, dass Bahn oder Land bei der Stadt anklopfen sollten, hatte der Gemeinderat schon 2009 den Beschluss gefasst, dann die Bürger abstimmen zu lassen.

Es sei zwar ein „absolut ehrenwertes Anliegen, dass Bürger versuchten, die Stadt vor einer Kostenbelastung zu schützen“, so Stopper, den Vertrag zu stornieren gehe aber nicht. Und der Glaube, dass man mit der Stornierung das Projekt beenden könne, sei „irreführend“.

Wie die Grünen legten sich CDU und SPD und Freie Wähler fest. „Wir stellen nichts infrage, es geht darum, das Projekt zu entwickeln“, sagte Alexander Kotz für die CDU. „Es passiert ja was“, es werde gebaut, pflichtete SPD-Fraktionschef Martin Körner bei. Körner sah in der S-21-Gegnerschaft der Fraktionen von AfD und SÖS/Linke-plus eine „Lagerbildung, bei der Stimmungsmache vor Gemeinwohl steht“. Damit hatte Körner Öl ins Feuer gegossen. „Der Vorwurf der Stimmungsmache fällt voll auf sie zurück“, sagte AfD-Rat Lothar Maier.

Hannes Rockenbauch, Sprecher von SÖS/Linke-plus, hält Kirchbergs Argumentation für nicht stichhaltig, die Ablehnung des Entscheids sei „dünn begründet“. Am 10. Dezember 2009 habe Bahn-Chef Rüdiger Grube gesagt, alle bekannten Fakten lägen auf dem Tisch, die 4,5 Milliarden würden reichen. „Das war eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, fünf Milliarden Euro Baukosten waren da schon bekannt, 900 Millionen wurden einfach pauschal abgezogen“, so Rockenbauch. Drei Jahre später hatte Grube 6,5 Milliarden Euro eingeräumt. „Der hat uns verarscht, und die Stadt soll sich dennoch an den Vertrag halten?“, fragte Rockenbauch. Für ihn sei die Geschäftsgrundlage mit der Bahn entfallen.

Den Vorwurf eines Betrugs der Bahn „kann man so sehen“, sagte Stopper. „Aber den kann nur ein Gericht klären.“ Selten lasse sich die Anatomie eines Betrugs und die Erpressung eines Gemeinwesens „so schön nachvollziehen wie an den Kostenmanipulationen der DB bei Stuttgart 21“, kommentierte das Aktionsbündnis der Gegner die Debatte. Der Gemeinderat soll am 2. Juli entscheiden. Dann auch gleich über das weitere Bürgerbegehren zur Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21, kündigte Kuhn an.