S-21-Protest im Rathaus Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Stuttgarter Gemeinderat hat am Donnerstag nach dreistündiger Sitzung zwei Bürgerbegehren gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. SÖS/Linke-plus, die die Begehren unterstützten, wurde eine „Showveranstaltung“ vorgeworfen.

Stuttgart - Der Streit um zwei Bürgerbegehren zu den Kosten und der Leistungsfähigkeit des Bahnprojekts Stuttgart 21 hat am Donnerstag im Gemeinderat eine erbitterte Debatte ausgelöst.

Hannes Rockenbauch, Fraktionschef von SÖS/Linke-plus, hatte erneut beantragt, der Gemeinderat solle den so genannten Vertrauensleuten der Begehren ein Rederecht einräumen. Das lehnte der Rat mit 27 gegen 26 Stimmen ab.

OB Fritz Kuhn (Grüne) stimmte mit den Ablehnern von CDU, SPD und Freien Wählern. Der Stuttgarter SPD-Kreisvorsitzende Dejan Perc, der für die Anhörung war, sich aber damit gegen seine Fraktion gestellt hätte, verließ vor der Abstimmung das Plenum. Zwei Grünen-Stadträte ebenfalls, um damit das Fehlen von Stadträten in der CDU-Fraktion auszugleichen. Letzteres entspricht den Gepflogenheiten im Gemeinderat.

„Falsche Faktenbasis“

Rockenbauch hatte engagiert für eine „Kultur des Gehörtwerdens“ geworben und damit an grundsätzliche Aussagen der Grünen in der Landesregierung erinnert. Die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 habe auf einer „falschen Faktenbasis“ stattgefunden, selbst der damalige Gutachter der Sozialdemokraten habe eingeräumt, dass die Regierung Kretschmann daher nicht mehr an sie gebunden sei. Sowohl die nach der Volksabstimmung von der Bahn eingestandenen, dieser aber schon zuvor bekannten Mehrkosten, als auch die aus Sicht von Experten mangelnde Leistungsfähigkeit des Durchgangsbahnhof rechtfertige die Kündigung des S-21-Finanzierungsvertages.

SPD-Fraktionschef Martin Körner warf Rockenbauch vor, eine „reine Showveranstaltung“ aufzuziehen. Es sei an der Zeit, die repräsentative Demokratie zu stärken. Abgeordnete, die vom Volk gewählt worden seien, hätten entscheiden, die Bürger in der Volksabstimmung. OB Kuhn musste danach heftige „Lügner“-Zwischenrufe von der gut besetzten Zuhörertribüne bändigen.

CDU-Fraktionschef Alexander Kotz sagte, er wolle nicht, dass vom Podium neben der Bürgermeisterbank aus „für ein rechtswidriges Ziel geworben wird“. Auch Kuhn erklärte sich. Die Bürgerbegehren waren in Auftrag der Stadt von Rechtsprofessor Christian Kirchberg auf ihre Zulässigkeit geprüft worden. Laut Kirchberg seien sie rechtswidrig. „Es geht rein darum, ob der Text der Begehren hält.“ Das sei nicht der Fall, also werde er als OB gegen die Anhörung der Vertrauensleute stimmen, denn „die Anhörung ist für die Entscheidung weder nötig noch relevant“, so Kuhn.

Beschwerde über lange Redezeit

Nach der ersten Abstimmungsniederlage kassierten SÖS/Linke-plus bei den Abstimmungen zu den Begehren „Storno“ (Kostenexplosion) und zum Leistungsrückbau deutlichere Niederlagen. Bei „Storno“ stimmten nur SÖS/Linke-plus, AfD und zwei Stadträtinnen der Grünen für das Begehren (15 gegen 41 Stimmen), beim Thema Leistungsrückbau enthielt sich die AfD, so dass nur noch elf für dieses Begehren votierten.

Für die Grünen gab Stadtrat Jochen Stopper eine grundsätzliche Erklärung ab. Die Partei habe die Sammlung der je 20 000 Stimmen zu den Begehren nicht unterstützt, weil „wir in all den Jahren politisch und juristisch gegen Stuttgart 21 gescheitert sind“. Die Gegner seien „auf allen Ebenen in der Minderheit, die rechtlichen Wege sind verschlossen“, das sollte man anerkennen. „Das Projekt wird jetzt gebaut“, sagte Stopper zu Rockenbauch und den S-21-Gegnern auf der Tribüne. Zwar sei Stuttgart 21 ein Engpass für den Bahnverkehr und bringe Nachteile für die S-Bahn, die Finanzierungsverträge seien aber „offensichtlich nicht auszuhebeln, da sollte man sich nichts vormachen“. Der Minderleistung widersprach Körner. Das Projekt biete „verkehrlich große Chancen.“

Mit einem Antrag zur Geschäftsordnung unterband Alexander Kotz den Einsatz von Folien durch Rockenbauch. Körner beschwerte sich über dessen lange Redezeit. Rockenbauch würdige damit „andere wichtige Themen auf der Tagesordnung herab“. Rockenbauch wollte den Streitpunkt Leistungsfähigkeit erhellen. Der Tiefbahnhof werde keine 32 Züge pro Stunde schaffen, der Kopfbahnhof bewältige 37, sagte er, in der Spitze sogar 50.

Kuhn widersprach: Sowohl beim Grundtakt als auch in der Spitzenstunde schaffe S 21 laut Stresstest „mehr Züge als der Kopfbahnhof jetzt“. Das von den Grünen geführte Verkehrsministerium habe nach dem Test das Gegenteil behauptet, so Rockenbauch. Kuhn verwechsele „die Vertretung öffentlicher Belange mit denen der Bahn“.