Mineur Mario Neisser bereitet an der ICE-Neubaustrecke eine Sprengung im Steinbühltunnel vor. Foto: Max Kovalenko

Der neue Stuttgarter Bahnhof ergibt wenig Sinn ohne die Neubaustrecke nach Ulm und umgekehrt. Während im Talkessel ums Mineralwasser, um Artenschutz, um Mehrkosten gestritten wird, schreiten auf der Schwäbischen Alb die Arbeiten zügig voran.

Der neue Stuttgarter Bahnhof ergibt wenig Sinn ohne die Neubaustrecke nach Ulm und umgekehrt. Während im Talkessel ums Mineralwasser, um Artenschutz, um Mehrkosten gestritten wird, schreiten auf der Schwäbischen Alb die Arbeiten zügig voran.

Stuttgart - Die Scheinwerfer grell, die Gesichter blass, die Luft zum Schneiden, dazu schweres Gerät im Dauerbetrieb – wen das aus der Fassung bringt, der schwebt hier in Lebensgefahr, der hat hier, einen Kilometer drin im Berg, nichts verloren. Mario Neisser hat die Ruhe weg. An der Ortsbrust des Steinbühltunnels nahe Hohenstadt im Kreis Göppingen bereitet der Mineur mit seinen Kollegen den nächsten Arbeitsschritt vor. Sprenglöcher auffüttern mit rund 150 Kilogramm Sprengstoff, Zündkabel ausrichten, alles erfolgt über kurze Kommandos. Tunnelbauer, die ein Drittel ihres Lebens in stickigen Röhren verbringen, reden nur das Nötigste. „Die Männer wollen Meter machen“, sagt ihr Chef, Bauingenieur Jürgen Voringer. Er arbeitet für eine Arbeitsgemeinschaft aus österreichischen Firmen, die sich auf den Bau großer Tunnel verstehen.

„Meter machen“ heißt im Falle des Steinbühltunnel zwei Röhren à 4847 Meter zwischen der Albhochfläche und dem Filstal bei Wiesensteig zu graben, durch die Hochgeschwindigkeitszüge laut Zeitplan der Bahn ab 2021 mit 250 Kilometer pro Stunde zwischen verkehren. Der Tunnel ist einer von neunen entlang der 60 Kilometer langen Neubaustrecke, die nach Definition der Bahn in Ulm beginnt und in Wendlingen endet. Von dort fahren die ICE weiter bis zum Flughafen und tauchen dann ab in den Untergrund Richtung neuem Stuttgarter Durchgangsbahnhof.

Während sich in der Landeshauptstadt die Aufgeregtheit um Stuttgart 21 nur allmählich legt, können die Bautrupps entlang der Neubaustrecke von all dem unbehelligt „Meter machen“ – Meter auch auf der A 8, die auf der Albhochfläche parallel zur ICE-Stecke sechsspurig ausgebaut wird.

Neubaustrecke mit rund 3,3 Milliarden Euro veranschlagt

Dabei kommen die Kolonnen zügig voran, teils zügiger als gedacht, und zudem kostengünstiger. Derzeit ist die Neubaustrecke auf rund 3,3 Milliarden Euro veranschlagt. Der gesparte Betrag gehe in die Millionen, sagt Stefan Kielbassa. Auf eine genaue Summe will sich der Bahn-Ingenieur nicht festlegen lassen. Offensiver wird er beim Zeitplan. „Bis 2018 ist hier spätestens alles abgefrühstückt“. Soll heißen: Auf der Albhochfläche können dann die Gleise verlegt, Bahntechnik installiert werden, und die Autobahn ist fertig ausgebaut. Außergewöhnlich ist auf der Albhochfläche, dass Trassenbau und A-8-Ausbau parallel erfolgen und beide Projekte in einem Genehmigungsverfahren behandelt wurden. Zwei komplizierte Projekte so dicht beieinander „erfordern gemeinsames Bauen“, so Kielbassa.

Sein Kollege Matthias Breidenstein beaufsichtigt die Arbeiten der rund 200 Mineure und Ingenieure an den Tunnel zwischen Albvorland und Albhochfläche. Er ist ähnlich optimistisch: „2018 werden die Tunnelbauer das Baufeld verlassen.“ Eng könnte es für den Albvorlandtunnel werden. Die Bahn erwartet hier bis Anfang 2015 das Okay vom Eisenbahnbundesamt. Darauf folgt das Vergabeverfahren. Vor 2016 dürfte die Bergleute nicht loslegen.

Beide Bauleiter eint, dass sie „in komplexen Geländeformationen“ arbeiten, wie Breidenstein formuliert. Genauer: Die Tunnel am Albaufstieg entstehen unterhalb des Grundwasserspiegels im teils stark zerklüfteten Kalkstein der Schwäbischen Alb. Auf der Albhochfläche können im Untergrund stets sogenannte Dolinen – Hohlräume – auftreten. Verkarstung nennt dies der Fachmann. Ab einer gewissen Größe halten sie der Belastung eines ICE nicht mehr stand und müssen verfüllt werden. Deshalb wurden alle 50 Meter Probebohrungen vorhergenommen. Die Alb ist an dieser Stelle offenbar weniger verkarstet als erwartet.