Hat die Unparteilichkeit des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) angezweifelt: Heiner Geißler Foto: Kraufmann

Verwaltungsgericht weist die Bedenken von Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler zurück.

Stuttgart - Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler hat die Unparteilichkeit des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) infrage gestellt, weil der 2006 nur drei Bahn-Gutachter hörte. Das höchste Gericht im Land stellte am Montag klar, dass es nicht gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen habe.

Die Mannheimer Richter am Verwaltungsgerichtshof (VGH) hatten 2006 eine Klage der Tiefbahnhof-Gegner abgelehnt. Am Montag wollen sich die Richter nicht in die laufende Schlichtung zu Stuttgart21 einmischen. Sie verpacken ihre Kritik an Schlichter Heiner Geißler in den neutral gehaltenen Satz: "Die Einholung zusätzlicher Gutachten durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen liegt im Ermessen des Gerichts."

Die "Klarstellung" des VGH läuft darauf hinaus, dass die Richter in einer Hauptverhandlung grundsätzlich nach eigenem Ermessen entscheiden, wie sie einen Sachverhalt aufklären. Dies sei die "ständige, höchstrichterlich gebilligte Praxis", so der VGH. Heiner Geißler, der vor seiner politischen Karriere in Rechtswissenschaften promoviert hat, wird die Botschaft aus Mannheim zu deuten wissen.

Am vergangenen Freitag, bei der vierten Schlichtungsrunde zu Stuttgar t21 im Rathaus, hatte sich die Diskussion zum Alternativkonzept Kopfbahnhof 21 (K 21) auch mit der Frage beschäftigt, ob K 21 rechtlich genehmigungsfähig wäre. Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) stellte dies in Abrede und verwies dabei unter anderem auf das VGH-Urteil zu Stuttgart 21 von 2006. Peter Conradi (SPD) wollte das nicht gelten lassen: Die Gutachter, welche zuvor die Stuttgart-21-Pläne entwickelt hätten, seien nämlich beim VGH als "Gutachter des Gerichts" aufgetreten, kritisierte Conradi.

Harter Tobak für die Richter

Diese Darstellung wurde von den Projektbefürwortern zurückgewiesen. Der VGH habe seinerzeit "keine eigenen Gutachter" angehört, stellte Rechtsanwalt Josef-Walter Kirchberg klar. "Was Herr Kirchberg vorgetragen hat, ist so geschehen", bestätigte Gangolf Stocker. Der SÖS-Stadtrat saß damals auf der Seite der Kläger im Mannheimer Gerichtssaal. Man habe 2006 aus Kostengründen keine Gegen-Gutachter beauftragt, erinnerte sich Stocker. Außerdem wäre es wohl schwierig geworden, Experten zu finden, die nicht mit der Bahn beruflich zusammenarbeiteten. Letztlich seien die drei beteiligten Fachleute allesamt Gutachter der Deutschen Bahn gewesen. Zwei davon seien auch an der laufenden Schlichtung beteiligt.

Die Rolle des VGH ließ Geißler am Freitag keine Ruhe. Seine Kritik mündete in den Satz: "Ich will die Autorität des Gerichts nicht anzweifeln, aber wenn die nur drei Gutachter gehört haben, die von der einen Partei gestellt worden sind, dann ist das natürlich eine etwas problematische Geschichte - die von den Leuten nicht akzeptiert wird, da bin ich fest überzeugt. Wenn sie das wüssten." Das war harter Tobak für die Richterbank.

Die Stuttgart-21-Gegner kritisierten am Montag den Stuttgart-21-Sprecher Udo Andriof. Er hatte bemängelt, die Gegner wollten alles offenlassen, ließen sich nicht auf die Neubaustrecke und den Anschluss des Flughafens festlegen und hätten gar kein Gesamtkonzept für den Bahnverkehr.

Die "große Stärke" von K 21 sei, dass der ausgebaute Kopfbahnhof mit und ohne Neubaustrecke nach Ulm funktioniere, während Stuttgart 21 "mit der Neubaustrecke stehe und falle", so das Aktionsbündnis der Gegner. Ein viergleisiger Ausbau im Filstal, über den Andriof sprach, sei nicht vorgesehen, sagt das Aktionsbündnis. Andriof wolle die dort wohnenden Menschen "verunsichern". Der frühere Regierungspräsident versuche, K 21 "wider besseres Wissen zu diffamieren". Am Vorwurf, der VGH habe sich auf "parteiische und irreführende Gutachten" gestützt und deshalb eine falsche Entscheidung getroffen, hält das Bündnis fest. Inzwischen sei klar, dass der Tiefbahnhof die 2006 im Gutachten des Stuttgarter Professors Ullrich Martin versprochene Leistungsfähigkeit nicht schaffe. Für das Gericht sei das Martin-Gutachten aber wesentlich gewesen.