Am Montagabend haben Tausende an den Schwarzen Donnerstag vor fast drei Jahren erinnert. Foto: Max Kovalenko

Am dritten Jahrestag des „Schwarzen Donnerstags“ haben mehr als doppelt so viele Stuttgart-21-Gegner an der wöchentlichen Montagsdemonstration teilgenommen wie sonst.  

Stuttgart - Am dritten Jahrestag des „Schwarzen Donnerstags“ haben mehr als doppelt so viele Stuttgart-21-Gegner an der wöchentlichen Montagsdemonstration teilgenommen wie sonst. Die Polizei sprach von 4000 Menschen, die gegen das Milliardenprojekt protestierten. Die Organisatoren selbst zählten 7000 Teilnehmer.

Unter dem Motto „Verantwortliche bestrafen statt Bürger überwachen“ erinnerten die Veranstalter an den Polizeieinsatz am 30. September 2010 im Mittleren Schlossgarten, bei dem auch Wasserwerfer eingesetzt wurden. Über 100 Demonstranten wurden damals bei dem gewaltsamen Aufeinandertreffen mit der Polizei zum Teil schwer verletzt; auch 34 Beamte trugen Verletzungen davon.

Wegen des Wasserwerfereinsatzes hatte das Stuttgarter Amtsgericht im August zwei Beamte zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ein dritter soll eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zahlen. Ihnen wird vorgeworfen, Demonstranten mit den von ihren Fahrzeugen ausgegangenen Wasserstrahlen verletzt zu haben. Zwei ranghohe Stuttgarter Polizeibeamte, die für den am meisten umkämpften Einsatzabschnitt im Park verantwortlich waren, sind wegen Körperverletzung angeklagt. Ihr Prozess wird Anfang 2014 erwartet.

Autofahrer hupen wild

Am Montagabend ziehen die Demonstranten friedlich vom Hauptbahnhof in Richtung Schlossplatz. Um 19.55 Uhr, als die Menge den Landtag passiert, werden die Pfiffe lauter. Wildes Hupen der Autofahrer, die auf das Ende des Demonstrationszugs warten müssen, bietet Paroli. Schließlich erreicht der Zug den Mittleren Schlossgarten. Dort werden rote Trauerlichter ausgepackt. Auch Dietrich Wagner ist gekommen. Das Bild des damals durch den Wasserwerfereinsatz nahezu erblindeten Mannes hat sich ins Stadtgedächtnis eingebrannt.

Guntrun Müller-Enßlin, Theologin und Stuttgart-21-Aktivistin, ergreift das Wort. Sie sagt, sie wollte heute vor drei Jahren ihren Sohn finden, der bei einer Schülerdemo teilgenommen hatte. „Ich sah Kinder, die vor Wasserwerfern wegrennen. Und eine Rentnerin, die durch den Druck eines Wasserstrahls buchstäblich durch die Luft geblasen wurde“, so Müller-Enßlin. Buhrufe im Publikum. Schilderungen dieser Art hört man an diesem Abend viele. Das Publikum reagiert mit Empörung. Dass man sich hier als Instanz zur Verteidigung der Demokratie sieht und von den Regierungsparteien nicht viel erwartet, ist jede Sekunde spürbar.

Dieter Reicherter, Richter am Landgericht a.D., erneuerte die Forderung der Protestbewegung nach der Abschaffung des sogenannten Rahmenbefehls, der für die Sicherheitsbehörden den generellen Umgang mit dem S-21-Protest definiert. Innenminister Reinhold Gall (SPD) hatte am Samstag den Stuttgarter Nachrichten gesagt, die Projektgegner würden „nicht pauschal“ überwacht. Reicherter ist das zu wenig. „Wir lassen uns nicht einschüchtern durch eine Kriminalisierung friedlicher Bürger“, sagte er.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert unterdessen eine Diskussion über den Einsatz von Wasserwerfern. Zum Beispiel müsse man klären, ob ein Wasserwerfer als milderes oder als härteres Einsatzmittel einzustufen sie als der Schlagstock.