Die Deutsche Bahn will im Dezember die erste Baugrube für den neuen Tiefbahnhof ausheben. Foto: Leif Piechowski

Die Deutsche Bahn will im Dezember die erste Baugrube für den neuen Tiefbahnhof ausheben. Der aktuelle Terminplan sieht eine enge Abfolge der einzelnen Baustellen vor – auch entlang der ICE-Strecke auf der Schwäbischen Alb. Auf der politischen Ebene kommt das Projekt dagegen nur langsam voran.

Stuttgart - 66 Meter: So weit haben sich die Mineure bei Hohenstadt auf der Schwäbischen Alb seit dem Baustart am 6. Juni in den Fels gegraben. An Ostern lag die Baustelle noch wegen des harten Winters sechs Wochen zurück; inzwischen sind es nur noch sechs Tage. „Das ist eine sehr leistungsfähige Baustelle“, sagt Projektabschnittsleiter Matthias Breidenstein.

In spätestens dreieinhalb Jahren soll der 4,8 Kilometer lange Steinbühltunnel fertig sein. Es wird der viertlängste Tunnel auf der 60 Kilometer langen ICE-Neubaustrecke Wendlingen–Ulm sein, die parallel zu Stuttgart 21 gebaut wird und – nach heutigem Stand – Ende 2021 in Betrieb gehen soll. Für den längsten, 8,8 Kilometer langen Boßlertunnel sollen am 1. Juli die ersten vorbereitenden Tunnelbauarbeiten starten.

Im Stuttgarter Talkessel werden die meisten Hauptbauarbeiten für Stuttgart 21 erst 2014 beginnen. „Wir sind auf einem guten Weg, aber die Terminpläne sind ehrgeizig“, sagte Projektsprecher Wolfgang Dietrich bei einer Pressekonferenz mit Breidenstein und Christian Wörner, Leiter der Projektsteuerung. Um die Fertigstellung 2021 zu erreichen, sei man darauf angewiesen, „endlich zügig und ungestört bauen zu können“, sagte Dietrich. Ein Jahr Verzögerung bei Stuttgart 21 kostet die Bahn nach deren eigenen Berechnungen 100 Millionen Euro zusätzlich. Nach aktuellem Kostenstand kostet das Projekt bis zu 6,8 Milliarden Euro. Die Projektpartner Land, Stadt und Region sind bis 4,526 Milliarden Euro an der Finanzierung beteiligt.

„Die Bahn bewegt sich mit ihrer Bauplanung auf sehr dünnem Eis“

Die erste Baugrube für den Tiefbahnhof von Stuttgart 21 soll im Dezember 2013 an der Jägerstraße gegraben werden. Hier entsteht der Nordkopf, der den Bahnhofsbau mit den nach Feuerbach führenden Tunnelröhren verbindet. Auf der anderen Seite des Talkessels wird im Frühjahr 2014 zunächst neben dem Wagenburgtunnel eine Rettungszufahrt zu den südlichen Tunnelbauwerken angelegt. Außerdem beginnt dort die Verlegung der SSB-Haltestelle Staatsgalerie, deren Tunnel von und zum Arnulf-Klett-Platz dem südlichen Ausläufer des Tiefbahnhofs ausweichen müssen. Mitte 2014 soll der Bau des 9,5 Kilometer langen Fildertunnels vom Tiefbahnhof zum Flughafen beginnen.

2014 soll auch die Verlegung des Nesenbach-Abwasserkanals starten. Um den Bau des sogenannten Dükers zu vereinfachen, will die Bahn in Kürze eine Planänderung beim Eisenbahn-Bundesamt beantragen. Die Parkschützer-Initiative hat am Dienstag daran erinnert, dass die Baustelle entgegen dem ursprünglichen Terminplan zwei Jahre in Verzug ist. Der Düker ist aber Voraussetzung für den Bau des Tiefbahnhofs. „Die Bahn bewegt sich mit ihrer Bauplanung auf sehr dünnem Eis“, kritisierte Matthias von Hermann, Pressesprecher der Initiative.

2021 soll Flughafenbahnhof fertig sein

Die ersten Baugruben im Talkessel wird die Bahn auf Grundlage der bereits genehmigten Grundwasserhaltung öffnen. Inzwischen geht sie aber davon aus, dass sie maximal sechs Millionen Kubikmeter Grundwasser, also die doppelte Menge, während der Bauzeit abpumpen muss. Diese Genehmigung erwarte man Ende 2013/Anfang 2014, sagte Dietrich. Im Bereich Flughafenbahnhof gehe man von einer Baugenehmigung Ende 2014/Anfang 2015 aus. Der Bau könnte 2016 starten. „Die Fertigstellung 2021 ist noch haltbar“, sagte Wörner. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die 60 einzelnen Baustellen von Stuttgart 21 zu koordinieren.

„Die Zusammenarbeit auf der Arbeitsebene, vor allem mit Behörden und Baufirmen, klappt gut“, sagte Wörner. Schwierig seien jedoch die „Randbedingungen“. Seit dem positiven Aufsichtsratsbeschluss für Stuttgart 21 am 5. März sei eine „gewisse Befriedung“ eingetreten, machte Dietrich deutlich: „Trotzdem spüren wir auf der Ebene der Projektpartner nicht die Unterstützung, die wir benötigen und die einer aktiven Projektförderung entspricht.“

Am 22., 23. oder 24. Juli soll ein Lenkungskreis stattfinden, kündigte Dietrich an. Darauf habe sich am Vortag Bahn-Vorstand Volker Kefer mit Landesverkehrsminister Winfried Hermann, Stuttgarts OB Fritz Kuhn (beide Grüne) und Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) verständigt. Im November oder Dezember soll ein weiteres Treffen des höchsten Beschlussgremiums von Stuttgart 21 stattfinden.

Wie bekanntwurde, will Hermanns Ministerium eine Feststellungsklage prüfen. Dabei soll ein Gericht entscheiden, ob die Projektpartner auch jenseits der 4,526 Milliarden Euro für das Projekt zahlen müssten oder nicht. Er halte es „nicht für sinnvoll, auf Grundlage von Kostenprognosen zu klagen“, sagte Dietrich. Eine ähnliche Sichtweise hatten bereits vor Monaten Richter des Verwaltungsgerichts gegenüber den Stuttgarter Nachrichten vertreten.