Während in der Liederhalle Bahnchef Rüdiger Grube an einer Podiumsdiskussion teilnahm, zogen vor dem Gebäude die Demonstranten auf. Foto: Palmer

Bahn will Gegnern nicht entgegenkommen - Tausende protestieren gegen Stuttgart 21.

Stuttgart - Der Bahn-Chef hatte am Montagabend ein Heimspiel. Im voll besetzten Hegelsaal der Liederhalle sprach Grube vor rund 800 Unternehmern. Die, eingeladen von der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK), zeigten sich bis auf eine Ausnahme als Verfechter des heftig umstrittenen neuen Tiefbahnhofs und der Neubaustrecke nach Ulm.

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Grube kämpfte so engagiert für den 4,1 Milliarden Euro teuren neuen Bahnknoten und die auf 2,9 Milliarden Euro veranschlagte Strecke, dass IHK-Präsident Herbert Müller, dessen Stellvertreter Georg Fichtner und Hauptgeschäftsführer Andreas Richter auf weite Stecken zu bloßen Stichwortgebern mutierten. Gleich eingangs der als Diskussion angekündigten IHK-internen Veranstaltung ehrten sie den langjährigen Daimler-Mann mit der höchsten Kammer-Auszeichnung, dem Merkur - dem Schutzpatron der Gewerbetreibenden.

Vor der Halle hatten mehrere tausend Projektgegner Grube einen lautstarken Empfang bereitet. Nach Ende der 46. Auflage der Montagskundgebung gegen das Bahnprojekt waren sie vom Mittleren Schlossgarten zur Liederhalle gezogen. Mit Sprechchören wie "Oben bleiben" und "Grube weg" forderten sie einen totalen Baustopp vor dem Runden Tisch, den Heiner Geißler moderieren soll. Mit Transparenten widersprach eine Gruppe von Unternehmern der offiziellen IHK-Haltung zum Tiefbahnhof. Die Polizei beschränkte sich während des Protests darauf, die Eingänge des Kongresszentrums zu sichern. Zuvor hatten laut Veranstalter mehr als 30.000, laut Polizei 10.000 Menschen im Mittleren Schlossgarten demonstriert. Von 21 Uhr an blockierten Aktivisten zeitweise eine Tiefgaragenausfahrt. Mehrere Fahrzeuge wurden mit Anti-Stuttgart-21 Aufklebern versehen.

Pfeifkonzert für Grube

Grube ließ sich von dem auch im Saal leise hörbaren Pfeifkonzert nicht beirren. Stuttgart 21 sei alternativlos und finanziert, "das Geld für die Renovierung des Kopfbahnhof ist nicht da", sagte er. Den vom Aktionsbündnis der Gegner als Vorbedingung für Gespräche geforderten Bau- und Vergabestopp lehnt Grube kategorisch ab. "Es darf ihn nicht geben", sagte er. Geißler hatte zuvor nach einem dreistündigen Gespräch mit Grube Hoffnungen auf einen Baustopp gemacht.

Gegen einen Stopp sprächen, so Grube, nicht nur die Kosten von monatlich zehn Millionen Euro, sondern auch die Tatsache, dass die Bahn 14 Ausschreibungen vergeben habe und in Verhandlungen für weitere vier im Wert von 800 Millionen Euro stehe. "Wir haben Verträge. Beim Stopp drohen Prozesse", begründete er sein absolutes Nein.

Grube: "Wir verlieren bis zu ein halbes Jahr"

Geißler habe er zugesagt, nicht sofort notwendige Ausschreibungen zu verzögern, zum Beispiel für den Abriss des Südflügels. Nicht verzögert werden könne der Aufbau einer Anlage zur Grundwasser-Reinigung. Für diese waren vor zwei Wochen im Schlossgarten unter massivem Polizeieinsatz 25 Bäume gefällt worden. Hier müssten vor der Frostperiode Fundamente betoniert werden, "sonst verlieren wir bis zu einem halben Jahr", so der Bahn-Chef.

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Den Einblick in Zahlenwerke der Bahn will Grube den Gegnern allenfalls über einen Wirtschaftsprüfer liefern, der eine Vertraulichkeitserklärung unterschreibt. Neues sei da aber nicht zu finden: "Stuttgart 21 rechnet sich für uns bis zu Baukosten von 4,8 Milliarden Euro", sagte Grube.

Mehrere frühere IHK-Präsidenten wie Berthold Leibinger und Günter Baumann bestärkten Grube in seinem Vorgehen. Auch Hans Sommer vom Ingenieurbüro Drees und Sommer und der frühere HP-Chef Jörg Menno Harms forderten ihre Unternehmerkollegen auf, sich in ihren Betrieben deutlich zu positionieren.

Einzig der Unternehmer Klaus Steinke und die Grünen-Regionalrätin Ingrid Grischtschenko fanden kritische Worte. Mindestens 130, vielleicht inzwischen auch 300 Unternehmer seien gegen das Projekt, so Bahn-Nutzer Steinke, der von Grube mehrfach unterbrochen wurde. Auf den Fildern habe die Bahn noch nicht einmal ihre Pläne gezeigt, so Grischtschenko, die von Grube zuvor als abgeschlossen bezeichneten Erörterungen gebe es nicht. Der Bahn-Chef parierte die Panne perfekt: "Der Sache gehe ich nach!"