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Die Verleihung an Dietrich Wagner löst Beifall, Entsetzen und Streit unter einigen Initiativen aus.

Stuttgart - In dieser Woche ist der beim Polizeieinsatz im Schlossgarten schwer verletzte Stuttgart-21-Gegner Dietrich Wagner mit dem Georg-Elser-Preis für Zivilcourage ausgezeichnet worden. Seither schlagen die Wellen hoch. Auch mehrere Elser- Initiativen sind sich nicht mehr grün.

Ein schwäbischer Schreiner ist dieser Tage in aller Munde. Am 8. November 1939 scheiterte Georg Elser aus Königsbronn bei Heidenheim nur knapp mit dem Versuch, Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller mit einer selbst gebauten Bombe umzubringen. Kurz vor Kriegsende wurde er dafür in Dachau hingerichtet. Zum Jahrestag ist am Dienstag in Berlin ein Denkmal enthüllt worden, am selben Abend wurde in München zum sechsten Mal der Georg Elser-Preis für Zivilcourage verliehen - an Dietrich Wagner, der beim Wasserwerfereinsatz im Stuttgarter Schlossgarten sein Augenlicht verlor.

Die Reaktionen auf diese Auszeichnung könnten extremer nicht sein. Während es auf der Demonstration gegen Stuttgart 21 am Montag viel Beifall gab, sprechen andere von "Hohn gegenüber Elser". Darüber lässt sich trefflich streiten. Doch jetzt mischt sich die Behauptung in die Diskussion, die Verleihung sei gar nicht rechtens.

Auf der gemeinsamen Internetseite verschiedener Elser-Initiativen und Arbeitskreise in Deutschland findet sich eine Art Dementi. Es stammt von Peter Koblank aus Aalen, der die Seite redaktionell betreut. Die Preisverleihung durch die Münchner Elser-Initiative verstoße gegen die Statuten. "Fakt ist, dass es eine Vereinbarung zwischen mehreren Initiativen und der Gedenkstätte gibt, den Preis durch eine gemeinsame Jury zu vergeben", sagt Koblank. Bereits 2009 habe sich München darüber hinweggesetzt. Daraufhin habe sich die Berliner Gruppe zurückgezogen. Die Bremer Initiative schreibt: "Durch den Alleingang Münchens ist nicht nur der Elser-Preis zu einem lokalen Ereignis geschrumpft worden, sondern auch die bisher schon reduzierte Kommunikation zwischen einzelnen Initiativen infrage gestellt."

Die Erfinderin des Preises will das nicht gelten lassen. Man sei jeweils eingesprungen, weil andere Initiativen die Preisvergabe nicht hätten stemmen können, sagt Hella Schlumberger aus München. Jetzt auf die Statuten zu pochen, sei deshalb "kleinkariert" und "ein Sturm im Wasserglas". Selbstverständlich sei die Vergabe rechtens.

Auch inhaltlich stößt die Wahl nicht überall auf Gegenliebe. "Wenn alle beteiligt gewesen wären, wäre sicher nicht Herr Wagner Preisträger geworden", glaubt Koblank. Er passe nicht ins Raster: "Man kann doch nicht den Widerstand gegen das Nazi-Regime mit dem Widerstand gegen einen Bahnhofsumbau vergleichen." In Berlin ist gar von einer "Entwertung Elsers" die Rede.

Auch hier widerspricht die Initiatorin. "Es geht nicht um die Person an sich, sondern um Herrn Wagner als Symbol für den Kampf für mehr Bürgerrechte. Diese Idee ehren wir", sagt Hella Schlumberger. Dabei gehe es nicht ausschließlich um Zivilcourage, sondern auch um zivilen Ungehorsam gegenüber den Herrschenden.

Der Geehrte selbst sieht die Geschichte unaufgeregt. "Es hat mich gefreut, dass es eine Instanz in der Gesellschaft gibt, die politische Auswirkungen auf Einzelne geißelt", sagt Wagner über den Preis. Die Auszeichnung unterstütze ihn moralisch, "aber ein paar Tausend Syrer und Libyer, die mit ihrem Leben bezahlt haben, haben sicher mehr Mut bewiesen als ich", sagt er.

Hella Schlumberger will trotz allem weitermachen. "Wir verfolgen doch alle die gleiche Intention", sagt sie über den Zwist unter den Elser-Initiativen. Auf diese Weise aber komme "nichts für die Sache rüber". Immerhin dabei ist sie sich mit Koblank einig. "Es ist schade", sagt der, "dass solchen Initiativen Egoismen im Weg stehen. Im Moment redet da keiner mehr mit dem anderen." Der Person Georg Elsers jedenfalls, das steht fest, wird der Streit nicht gerecht.