Brigitte Dahlbender vom Aktionsbündnis lehnt Ausschluss ab - Kritik an Bagatellisierung der Gewalt.

Stuttgart - Der Sprecher der sogenannten Parkschützer hat die Ausschreitungen von S-21-Gegnern am vergangenen Montag bagatellisiert. Dennoch ist diese Gruppierung im Aktionsbündnis für K21 weiter gut gelitten. Ausschließen werde man sie nicht, sagt Brigitte Dahlbender, Sprecherin des Bündnisses, im Interview.

Frau Dahlbender, die Polizei-Gewerkschaft hat das Aktionsbündnis für die Lösung Kopfbahnhof 21 aufgefordert, die Krawallmacher unter den S-21-Gegnern in den Griff zu bekommen. Sonst sehe man schwarz. Was lassen Sie sich also einfallen?

Als erste Reaktion auf die Vorkommnisse am Montag hat das Bündnis beschlossen, dass die Demonstrationszüge nach unseren Montagsdemos bis auf weiteres wieder am Schlossplatz enden sollen. Das muss nicht immer so bleiben, aber soll zumindest vorerst gelten. Wir werden natürlich auch zum friedlichen Protest aufrufen, auf verschiedene Gruppen zugehen und reden. Mit den Parkschützern sind wir bereits im Gespräch. Da gibt es den einen oder anderen Meinungsunterschied, den wir ausräumen wollen.

Ihre Demos sollen also ein gutes Stück entfernt von den Einrichtungen fürs Grundwassermanagement beim S-21-Bau enden - und ein gutes Stück weit entfernt vom Stützpunkt der Parkschützer. In welchen Punkten ticken Sie anders als die Parkschützer?

Der Endpunkt der Demonstrationszüge hat nichts mit den Parkschützern zu tun. Uns trennt im Moment nur die Bewertung dessen, was am vergangenen Montag geschehen ist. Die Parkschützer verweisen darauf, die Proteste am Montagabend seien zum allergrößten Teil friedlich gewesen. Ich habe jedoch den Anspruch, dass die Proteste komplett friedlich sind. Dass sie überwiegend positiv und friedlich waren, entschuldigt nicht die Gewalt.

Der Parkschützer-Sprecher äußerte, es habe entspannte Feierabendstimmung geherrscht. Dagegen steht die Bilanz der Polizei mit neun Verletzten und hohem Sachschaden. Wie sehr darf man die Ausschreitungen bagatellisieren? Müssen die Parkschützer aus dem Aktionsbündnis raus?

Nein, wir werden die Parkschützer nicht ausschließen. Viele von ihnen stehen für friedlichen Protest. Die Parkschützer hatten nicht zum gewalttätigen Widerstand aufgerufen, und durch die Geschehnisse am Montagabend wurde unser gemeinsamer Handlungskonsens für friedliche Demonstrationen verletzt. Sie gehören zum Aktionsbündnis. Hannes Rockenbauch und ich treten als Sprecher des Bündnisses für die Integration verschiedener Gruppen ein. Im Übrigen appellieren wir nicht nur an Projektgegner, alles für friedliche Verhältnisse zu tun, sondern ganz entschieden auch an die Deutsche Bahn AG.

"Bahn muss Beitrag zur Deeskalation bringen"

Was werfen Sie dem Unternehmen vor?

Wie Bahn-Chef Rüdiger Grube mit dem Stresstest für die Stuttgart-21-Pläne umgeht, trägt in einem gehörigen Umfang zu den Spannungen und der Eskalation bei. Und der Schlichter Heiner Geißler kann sich an viele Ergebnisse der Schlichtung offenbar nicht mehr erinnern. Beispielsweise daran, dass die Beteiligung der S-21-Gegner am Stresstest vereinbart war. Seit der Schlichtung sind viele Ergebnisse Schritt für Schritt zurückgenommen worden. Viele Menschen fühlen sich dadurch düpiert. Das rechtfertigt nicht den Einsatz von Gewalt, aber es erklärt, warum auch die Bahn AG jetzt ihren Beitrag zur Deeskalation bringen muss.

Am 14. Juli soll der Ex-Schlichter Heiner Geißler die Ergebnisse des Stresstests öffentlich vorstellen, damit sie beurteilt werden können. Kann das nach der erneuten Eskalation überhaupt noch funktionieren?

Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Der Diskurs über den Stresstest hängt nicht von den Vorfällen am Montag ab, sondern von ganz anderen Faktoren. Beispielsweise von der Frage, ob wir Gegner genügend Vorbereitungszeit erhalten, die Ergebnisse zu sichten und zu beurteilen. Es besteht die Gefahr, dass es eine Alibiveranstaltung wird, sozusagen Kunst um der Kunst willen. Schließlich will die Bahn AG am 15. Juli gleich teure Aufträge vergeben.

Glauben Sie, dass Stuttgart ein heißer Sommer bevorsteht? Könnte es sein, dass nicht einmal eine Volksabstimmung befriedende Wirkung haben wird?

Ich bin keine Prophetin. Ich sehe aber, dass es weiterhin gute Argumente gibt, die gegen S21 sprechen. Da gibt es nach wie vor Auflagen aus der Schlichtung. Verkehrssicherheit, Barrierefreiheit und die Entrauchung der Tunnel sind ungeklärt, die Anbindung der Gäubahn-Strecke, die erhalten werden soll, an den neuen Bahnknoten ebenfalls. Die Folgen der neuen Tunnelbauweise im Filderbereich sind ebenfalls noch offen. Vor allem aber gibt es noch keinen Planfeststellungsbeschluss für den Flughafenbahnhof, und es sind längst noch nicht alle Kosten auf dem Tisch. Und natürlich muss auch noch geklärt werden, ob es für die Änderung des Grundwassermanagements eines neuen Genehmigungsverfahrens bedarf, wie wir meinen. Und deshalb gibt es für uns gute Gründe, unseren friedlichen Widerstand gegen S21 fortzusetzen.

Die Grünen waren entschiedene Projektgegner, jetzt regieren sie und müssen Realitäten wie Verträge ganz besonders anerkennen. Wie sehr hat dies das Bündnis verändert?

Klar, die Grünen haben eine neue Rolle in der Regierung und haben neue Zwänge. Doch ein grundsätzliches Zerwürfnis gibt es zwischen uns nicht. Der neuen Rolle der Grünen tragen wir dadurch Rechnung, dass sie keine Sprecherin und keinen Sprecher im Aktionsbündnis mehr stellen. Aber dem Bündnis gehören sie weiterhin an. Der Stuttgarter Kreisverband ist dort mit Stadtrat Jochen Stopper gut vertreten.